Samstag, 30. Juni 2012

Von Sossusvlei zu den Tirasbergen

Mittags kehrten wir zur lodge zurück, luden unser Gepäck auf und starteten mit Bedauern über den allzu kurzen Aufenthalt dort zum nächsten Etappenziel, in den tiefen Süden, zu den 200 km entfernten Tirasbergen. Zunächst noch ein kurzer Stopp nahe der lodge, um vom felsigen Rand in den Sesriem Canyon hinab zu schauen.


Steter Tropfen höhlt den Stein! Die etwa einen Kilometer lange und 30 m tiefe Schlucht grub der Tsauchab auf seinem Weg ins Sossusvlei in das Sedimentgestein. Während der Canyon sich im weiteren Verlauf verbreitert, gar zum Flusstal mit Galeriewäldchen verflacht, verengen sich die Felswände am Parkplatz nach oben hin zu einem schmalen Spalt, so dass man kaum die Schlucht erkennt. Watch your step! Wer den schmalen Einstieg findet, kommt auf engem, rutschigem Geröllsteig nach unten. Das Flussbett kann man im Normalfall durchwandern, dabei verschiedene Kalksandsteinschichten ausmachen. Kommt der Tsauchab einmal ab, steht das Revier schon am Einstieg unter Wasser. Für kühlen, schattigen Aufenthalt sowie als Durstlöscher ist der Canyon bei kleinem und größerem Wüstengetier beliebt. Von daher erklärt sich auch sein aus dem Afrikaans stammender Name: Siedler mussten früher „ses riemen“, d.h. 6 Gurte aus Ochsenleder, zusammenknoten, um Trinkwasser aus dem Canyon zu schöpfen.

Auf Pad C 27 fuhren wir nun Richtung Tirasberge. Die Landschaft, überwältigend schön! Afrika, das zieht sich!


Wir durchquerten das durch Zusammenlegung mehrerer Farmen entstandene private Namib Rand Nature Reserve, in der die bekannte Wolwedans Lodge liegt. Die Landschaft, bergig mit Grasflächen und vielen wilden Tieren. Dort erspähten wir sogar das relativ seltene Bergzebra. Wir erreichten den Farm- und Rastplatz Betta, wo wir im kleinen Innenhof inmitten antiken Mobiliars und Utensilien Kaffeepause machten. Das wenig bekannte Rest Camp bietet dem, der tatsächlich anhält und es nötig hat, camp ground, petrol station und sogar tyre repair. Einem allein reisenden, jungen, deutschen Pärchen konnte Richard helfen, den richtigen Weg für ihr Wohnmobil ohne Allrad zu wählen. Ab Betta waren es noch 80 km bis zur Namtib-Ökofarm, unserem einsam gelegenen Übernachtungsziel.

Den 70 km-Schlenker zum Schloss Duwisib ließen wir aus, um noch vor Sonnenuntergang die Farm zu erreichen. Für den, der noch nicht da war, ist Duwisib als Kuriosität gleichwohl einen Stopp wert: In einem Hügelland gelegen, wirkt das Castle wie eine Fatamorgana aus europäischer Vergangenheit. Der exzentrische Schutztruppen-Hauptmann Baron Hansheinrich von Wolf, Spross einer dem König von Sachsen nahestehenden Adelsfamilie, ließ es 1908 vom Stararchitekten Wilhelm Sander als Farmhaus auf seiner Farm am Duwisib-Revier bauen, quasi als Geschenk für seine wohlhabende Ehefrau Jayta, Stieftochter des mit Kaiser Wilhelm befreundeten amerikanischen Generalkonsuls Humphrey aus Dresden. Sander hatte bereits zuvor drei „Stadtburgen“ in Windhoek errichtet: Die Schwerins- und Heinitzburg für den Graf von Schwerin, die Sanderburg für sich selbst. So präsentiert Duwisib Castle sich in einer für Afrika gewöhnungsbedürftigen Kolonialarchitektur: Im neoromantischen Stil, außen aus Sandstein, mit Zinnen und Schießscharten bewehrt, leicht zu verteidigen; innen ein aus Europa importiertes Sammelsurium von Möbeln, Gemälden und Waffen. Das Ehepaar wohnte dort 5 Jahre, währenddessen der Bauherr vor allem seinen Hobbys Landerwerb und Pferdezucht nachging. 1916 fiel der Baron als Freiwilliger im Dienst des Vaterlandes in der Schlacht an der Somme in Frankreich. Heute steht das ungewöhnliche Herrenhaus unter Denkmalschutz, ist Museum mit angeschlossenem guesthouse, dient hin und wieder als Filmkulisse.

Nun waren es nur noch 60 km auf der legendären "Traumstraße Pad D 707". Kenner zählen diesen Streckenabschnitt entlang der Namibwüste mit zu den schönsten und typischsten Namibias.

Genuss für die Sinne, Wechselspiel unberührter, kontrastreicher Natur: Die wellen-, machmal waschbrettförmige, einsame Pad, absolut ohne Verkehr; zur Linken die lange Kette der rotbraunen Granitformationen der Tirasberge in ihrer ganzen Pracht, rechts immer wieder rötliche, eisenhaltige Sanddünen der Namib, dazwischen riesige, geschwungene Weiden mit hohem, gelbgoldenem Gras, vereinzelten Bäumen, Sträuchern, Oryx, Springbock und Strauß. Wir fünf, allein auf der Welt: Nur Motor und Reifen, sonst absolute Ruhe, endlose Weite, Farbintensität und klare Luft!


Dann, eingebettet in ein abgeschiedenes Tirastal, die Namtib Desert Lodge, alias „Juwel of the Tiras Mountains“.

Allein schon die mehrere Kilometer lange Zufahrt durch hochstehendes Gras bis zu den Felsen des Hausbergs am Talende, an dessen Fuße sich die Anlage befindet, ein Erlebnis für sich. Die Farm von Walter und Renate Theile, heute betrieben von Sohn Thorsten und Schwiegertochter Linn, ist mehr ein Geheimtipp und als bloßer Zwischenstopp auf der Fahrt gen Süden eigentlich zu schade. Ihr Slogan: „Ich bin angekommen – dies ist Namibia!“ Sie ist eine Öko-Farm im sogenannten Biospärenreservat, bietet echtes Farmleben, Wohnen in farmtypischen Häuschen mit Schlafraum, offenem Atrium, wo man bei hohen Nachttemperaturen auch unter freiem Himmel schlafen kann, und Waschraum dahinter. In dem Naturschutzgebiet sind Nutzvieh, hauptsächlich einige Damaraschafe und Rinder sowie Wildtiere grundsätzlich gleichberechtigt. Alle Tiere sollen nach Möglichkeit Verhaltensweisen entwickeln, miteinander so gut wie möglich auszukommen, ohne getötet zu werden. Auf ökologisch intakten Lebensraum wird größten Wert gelegt. Auf Spaziergängen, geführte walking tours und Naturfahrten kann man zerklüftete Schluchten, Biotope und interessante Vogel- und Pflanzenarten entdecken. Ansehlich auch der hauseigene Garten.


Wir wurden bei Ankunft am Spätnachmittag von Linn und Hund mit welcome-drinks aus Kakteensaft begrüßt. 


Walter Theile, ein ehemaliger Lehrer aus Deutschland, wir würden sagen „Aussteiger“, ist fachkundig-kommunikativ, gilt als Experte für „Hexenringe“, auch "Feenkreise" bzw. "Fairy Circles" genannt, die in Teilen der Namib vorkommen. Das Rätsel dieser kreisrunden, mit mehreren Metern Durchmesser völlig vegetationslosen Phänomene inmitten üppiger Grassavanne ist wissenschaftlich schon lange von Interesse,  bislang aber ungelöst: Manche Experten führen die Kreise zurück auf Insekten, andere auf Pilzgeflechte oder entweichende Gase; die Version von Ufo-Landestellen erscheint doch allzu gewagt. Herrschende Meinung ist wohl, dass es sich um Bauwerke einer besonders intelligenten Termitenart, der sogenannten Sandtermite, handelt.  Das wenige Regenwasser soll an den von den Termiten kahl gefressenen Stellen im Boden auf Vorrat gespeichert und nicht den durstigen Gräsern überlassen werden. Walter Theile jedenfalls hält davon nichts; er argumentiert, ihm sei bei seinen Forschungen nie derartiges auffällig gewesen, weder Termiten noch konzentrierte Feuchtigkeit. Als überzeugter Wünschelrutengänger glaubt er fest daran, gebündelter Magnetismus, eventuell Radioaktivität im Boden könnten Ursache des Phänomens sein. Eine Theorie, der auch Richard nahe steht; gebraucht er doch zu Hause auf seiner Farm ebenfalls die Wünschelrute. Für uns Laien war bei all diesen Hypothesen schon fragwürdig genug, warum die kuriosen Erscheinungen denn stets so symmetrisch rund sind.


Das rustikale Abendessen nahmen wir mit regem small talk im Kreis der ganzen Familie am langen Tisch ein. Schmackhaft, die deftige Hühnersuppe und der Oryxbraten aus eigenem Farmbetrieb. Der Sternenhimmel danach, einfach gigantisch: Sibille möchte ihn liebend gerne einmal open air unter einem Moskitonetz im Patio der originellen Gästebehausung erleben, wenn die Nachttemperatur es erlaubt!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen