Samstag, 30. Juni 2012

Über Erongo nach Swakopmund

Nach Twyfelfontein folgte mit über 400 km unsere zweitlängste Tagesetappe nach Swakopmund, mit Umweg Erongo.

Zunächst auf der D 2612 durchs Huab-Revier, dann auf der C 35 nach Uis, stets mit Blick auf das langgezogene Brandberg, der mit seinem 2573 m hohen Königstein-peak der höchste Punkt des Landes ist, obwohl es einem nicht unbedingt so vorkommt. Das Felsmassiv aus Granit, Basalt und Dolomit erhielt seinen Namen, weil es spätnachmittags in der untergehenden Sonne wie rötlich-oranges  Feuerglühen erscheint.


Der Brandberg steckt voller Mineralien und Felsmalereien, wie z. B. der „White Lady“, wird deshalb schon mal als "Louvre der Wüste" bezeichnet. By the way: Sibille und ich hatten die geheimnisvolle "Dame", sofern sie denn wirklich eine ist, schon vor Jahren besucht. Dafür braucht man Zeit, Motivation, Ausdauer und eine Portion Phantasie. Der unerwartet strapazöse Anmarsch ist nur mit einem der flinken Burschen der "Daureb Mountain Guides" als Führer erlaubt (" All visitors are required to be accompanied by a registered guide"). Der Weg durch die steinige, heiße Schlucht des Tsisab-Reviers, das Stück bergauf zur Felsnische nebst Rückweg zum Auto kamen uns Ungeübten endlos vor; der Wasservorrat war lauwarm geworden. Am Ziel angekommen, war die kleine lady in ihrer winzigen Felsgrotte kaum als solche zu identifizieren. So ergeht es nicht allein den Touristen; auch die Experten rätseln nach wie vor, wen bzw. was die Figur tatsächlich darstellen soll; neuere Vermutungen tendieren eher in Richtung healer bzw. medicine man.

Richard fuhr uns zuliebe eine Ortsschleife durch den kleinen Ort Uis, da hier "der Lange", ein uns von früheren Reisen bekannter, freundlicher und versierter, leider verstorbener Ranger wohnte. Der einstige Minenort und die dort befindliche lodge nebst Vicky`s Coffee Shop und Uis Information Centre machen immer noch einen reichlich vereinsamten Eindruck. Die 1922 in Betrieb genommene Zinn-Mine wurde schon 1990 geschlossen; die weißliche Abraumhalde dominiert die Sicht. Momentan soll es Pläne für ein revival geben.


Weiter auf Pad hatten wir ein lustiges Intermezzo mit einem niedlichen Chamäleon. Richard erspähte es mit Adlerblick, rettete es vorm Überfahrenwerden. Im Gegenzug zeigte das Tierchen uns, wie es beim T-Shirt-Klettern schnell die Farbe wechseln kann. 


Unterwegs hielten wir zwischen Damara- und Hereroland an einem small market der Hereros, kauften originelle, farbenfrohe Stammespüppchen und hatten Spaß mit den Kindern. Für uns als freundliche Kunden: Shooting pictures, no problem!



Weiter ging die Fahrt auf der einsamen C 36 vorbei am verschlafen wirkenden, gleichwohl historisch interessanten Ort Okombahe beim Omaruru-Revier vorbei, das Erongo-Massiv schon vor uns. Dann auf der D 2306 in Richtung des 2319 m hohen Hohensteins, dem höchsten Berg des Erongo. 

Zu dessen Füßen erreichten wir die esel-, papageien- und katzenfreundliche Ameib-Ranch am Khan-Revier, wo wir mit Albert, Ingrid und Armin, Diethard und Gunnar vor zwei Jahren zu Gast waren. Natürlich sahen wir uns unser schönes Häuschen von damals nochmals an. Wir stellten unseren Hänger auf der Farm ab, da die Geländefahrt ins Felsmassiv hinein ohne ihn leichter war.


Erongo, ein Umweg, der allein deshalb lohnt, um auf kurviger Pirsch einen Eindruck von den uralten, überdimensional-rundgeschliffenen Granitkugeln der „Bull`s Party“ und anderer bizarr-errodierter Felsformationen, wie dem „Elephant`s Head“, zu bekommen. Der Vorstellungskraft sind hier keine Grenzen gesetzt! Es machte Spaß, Bildhaftes aus Felsbrocken zu interpretieren und menschliche Winzigkeit gegenüber Naturdimensionen zu verspüren.





Vom Erongo-Gebirge waren es jetzt noch 150 km bis Swakopmund; zunächst weiter 30 km auf sandiger D 1937 Pad bis Usakos. 

Richard fuhr uns zuliebe parallel zur Hauptstraße durch den kleinen, gleichwohl geschichtsträchtigen Ort: In Sichtweite ein paar gut erhaltene Kolonialhäuser und andere Museumsstücke wie die renovierte Henschel-Lok der Otavibahn vor dem Bahnhof, die alte Kirche und der rostige Wasserturm vor den Bergen, kaum Menschen. Noch heute erinnert die Ortschaft an den ehemals bedeutsamen
Eisenbahnknotenpunkt mit Werkstätten und Zinnvorkommen. Im Kontast dazu die moderne Tankstelle mit kleinem, gut gefülltem takeaway. Witzig, in staubiger Nebenstraße, ein car wash!


 

Von Usakos ging es nach kurzer Stärkung weiter südwestlich, jetzt auf neuem B 2-Asphalt, parallel zur Eisenbahn und dem Khan-Trockenfluss. Rundherum Geröllnamib mit flachen Bergen. Rechter Hand in weiter Ferne, die 1728 m hohe Spitzkoppe, das „Matterhorn Namibias“, mit Little Spitzkoppe, umgeben von den Pondokbergen. Mittendrin in diesem markanten Bergmassiv waren wir 2010 mit Albert mit Ziel Robbenkolonie Cape Cross unterwegs, per Allrad und per pedes.


Dann, 80 km vor Swakopmund, rechterhand der die Wüste überragende Rössingberg. Davor der Abzweig nach Arandis; eigentlich keine Ortschaft, sondern Arbeitersiedlung aus der Retorte der Rössing-Mine. Die Uran-Lagerstätten des Rössingberges wurden schon 1910 von den Deutschen entdeckt; industrieller Abbau erfolgte jedoch mit deutscher Hilfe erst seit 1970. Seitdem ist die mehrheitlich dem australischen Rio-Tinto-Konzern gehörende Mine weltgrößter Urantagebau und größte Uranlagerstätte der Welt; mit über tausend Beschäftigten ein Hauptarbeitgeber und Hauptsteuerzahler Namibias. Auf rechtzeitige Anmeldung hin kann man eine Führung mitmachen. Hauptproblem ist der sensible Weltmarktpreis für Uran, der immer wieder zu Rationalisierung und Personalanpassung bis hin zu Stilllegungsplanung führte. Zudem verbraucht die Uranproduktion Unmengen an Wasser, so viel wie ganz Windhoek, wozu die in Namibia so knappe Resource den Revieren des Khan, Swakop, Omaruru und Kuiseb entnommen wird. Beruhigend, dass deutsche Forscher der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe vor geraumer Zeit in 300 m Tiefe ein riesiges, fossiles Süßwasserreservoir im Cuvelai-Etosha-Becken entdeckt haben. Über dessen Nutzbarmachung wird noch nachgedacht; falls es klappt, hätten große Teile der namibischen Bevölkerung für lange keine Trinkwasserprobleme mehr! Uran erlebt momentan offenbar ein revival: Aktueller Planungshorizont der Rössing-Mine geht bis 2023; exploriert wurden neue Lagerstätten, wie z.B. „Rössing-South“ und "Langer Heinrich". Zudem gibt es vielversprechende Innovationen: Im Zuge des Trekkopje-Projektes wird erstmals konzentriertes Uranoxyd ausschließlich aus entsalztem Meerwasser gewonnen.

Nach langer Tagesetappe, noch im Hellen, in der Ferne links die Nordflanke der „Mondlandschaft“, kam Swakopmund in Sicht. 

Erstes wellcome am Rande der B 2, die hier nach dem alten Präsidenten Sam Nujoma Avenue heißt, durch „Martin Luther“. Auf Initiative des Schutztrupplers Edmund Troost wurde der dampfbetriebene Straßentraktor in Halberstadt gebaut, kam 1896 über Walvis Bay nach Südwest, sollte den damals achttägigen Ochsenkarren-Frachtverkehr zwischen Swakopmund und Walvis Bay revolutionieren. Das schaffte das Dampflokomobil in praxi nicht. Wenn überhaupt on road, benötigte es ein Vielfaches an Zeit. Sein Gewicht, Wasser- und Holzverbrauch waren  für das Einsatzgebiet einfach viel zu hoch. Zuletzt nur noch just for fun für kurze Wüstentrips benutzt, brach es an der Stelle, wo es heute steht, vollends zusammen, unterlag einem Jahrhundert dem Verfall. So gesehen bot sich Martin Luther als Namensgeber an mit seinem Slogan: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen!" Vom Namibian Institute of Mining and Technology mit deutschem sponsoring aufwendig und gründlich vom Rostfraß restauriert, steht das gute Stück seit 2006 wieder dort, wo es einst seinen Geist aufgab, seit kurzem jedoch als Industriedenkmal glasgeschützt im „Martin`s new home“.Vor diesem bewegenden Hintergrund für uns schon wert, anzuhalten und in den show-room zu gucken!


Es ist schon insgesamt recht eigenartig, dieses 120jährige Swakopmund! Benannt nach der Mündung des Swakop-Flusses hat die drittgrößte Stadt Namibias noch unübersehbar deutsches, besser gesagt kaiserlich-wilhelminisches Kolonialflair. Fast ist man geneigt, sie nach wie vor für eine Art deutsche Enklave in Afrika zu halten. Überall im Zentrum wird Deutsch gesprochen; alles ist sauber und geordnet. Denkmalgeschützte Bauwerke im Jugend- und Fachwerkstil aus Zeiten Deutsch-Südwests prägen das Stadtbild, wie z. B. der Bahnhof, das Woermann Haus, das Alte Amts- und Bezirksgericht, der rot-weiße Leuchtturm, das Hohenzollern-Haus mit Atlasfigur am Giebel, ferner Alte Kaserne, Altes Gefängnis, Post, Kirchen, Marine-Denkmal, renovierte Jetty und Museum. Bei allem Kolonialcharme macht das Städtchen einen durchaus modernen und gepflegten Eindruck mit schöner Strandpromenade, Hotels, shops, intakten Geldautomaten, Supermärkten, Restaurants, Bars und Kino; das 2010 abgebrannte Brauhaus stand wieder in alter Pracht. In den letzten Jahren wurde besonders zur nördlichen Seeseite hin kräftig gebaut, größtenteils stilvoll-luxuriös mit moderner Infrastruktur.


 


Einen beeindruckenden Panoramablick über Swakopmund hat man vom alten Damaraturm des Woermannhauses aus; man erkennt von dort oben deutlich, wie nah die Namibwüste das Küstenstädtchen umzingelt. Der Hamburger Reeder, Kaufmann und Politiker Adolph Woermann hatte sich im Kaiserreich stark in Sachen Kolonialisierung engagiert und mit der von ihm gegründeten "Afrikanischen Dampfschiffs AG", der sogenannten "Woermann-Linie", de facto das Monopol für alle Transporte nach und von Deutsch- Südwest inne.




Eigenartig auch das Wetter: Kalter, antarktischer Benguelastrom und heiße Namib-Wüste vor der Haustüre bewirken, dass Stadt und etliche Kilometer Hinterland täglich von morgens bis mittags nasskühl eingenebelt werden; vorher und nachher scheint die Sonne am blauen Himmel. Unwillkürlich fragt man sich: Was wäre wohl aus diesem Stück Wüste geworden wäre, hätten unsere Vorfahren nicht so dringend einen Hafen mit Süßwasservorkommen benötigt? Dennoch blieb Swakopmund als Hafen ein Dauerflop: Kein Hafenbecken und Kai; Mole und Holzbrücke chancenlos gegen Wind, Wellengang und Versandung; Entladen der Schiffe und Anlandung in von Westafrikanern, z.B. aus Liberia, gesteuerten Brandungsbooten ein stetes Wagnis unter Lebensgefahr! Bis heute fällt Swakopmund als Seehafen aus, alles Schiffbare geht mehr denn je über Walvis Bay und Lüderitzbucht. Lediglich die alte "Jetty" wurde nostalgisch-touristisch durch eine stabile Holzkonstruktion erneuert, eingangs sogar mit nettem Terrassenlokal. 

Wir wohnten wieder zwei Nächte familiär in der Hotel Pension Rapmund, gleich ums Eck beim "Cafe Anton" und mit dem Luxus eines rund um die Uhr bewachten Parkplatzes vor der Tür. Dort hatten wir genügend Distanz zum Pauschaltourismus im Hansa- und Bahnhofshotel, brauchten nur ein paar Schritte, um abends im beliebten "Lighthouse Pub & Cafe" gesellig im Kreis Einheimischer sowie im Restaurant "Zum Kaiser" gepflegt zu essen. In der City selbst, eine Menge touristischer Aktivitäten bei im Vergleich zur peak season erstaunlich wenigen Touristen. Eine Empfehlung für jeden, der Zeit und ihn noch nicht mitgemacht hat, ein Cessna-Flug über die Dünenlandschaft und Skelett-Küste mit ihren alten, geschichtenumwobenen Schiffswracks. Im Ortskern gibt es für solche "Fly-In-Safaris" mehrere professionelle Anbieter. Wir vier nutzten den Aufenthalt einfach nur, um im Ort zu bummeln, am Strand nach "schönen Steinchen" zu suchen und an der Promenade unter dem Sonnenschirm Kaffee mit netter Bedienung und Meerblick zu genießen. Das Zertifikat über den „flight over the highest dunes in the world“ hatten Sibille und ich schon vor 10 Jahren erworben.

Auch nutzten Sibille und ich die Chance, Schwester Leoni Hasler, die wir beide 2010 zufällig beim Stadtbummel kennengelernt hatten, im Kloster der katholischen Kirche am alten Bahnhof "hallo" zu sagen. Die sympathische, landesweit bekannte, engagierte Missions-Benediktinerin vom Liechtensteiner Erzbistum Vaduz erwies sich uns gegenüber erneut als eine ausgesprochen freundliche, durchaus weltoffene und eher unkonventionelle Gesprächspartnerin. Es machte einmal mehr Spaß, mit ihr zu plaudern.  



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