Samstag, 30. Juni 2012

Vom Chobe zum Okawango

Mit Umarmung und winkend nahmen wir Abschied von Alta und crew, die einen gefühlvollen Abschiedssong sang. Wieder einmal fühlten wir uns auf Zovu Elephant heimisch, umsorgt und willkommen. Per Boot wurden wir zu dem uns mittlerweile gut bekannten Immigration Office gebracht. Dort wartete bereits der beauftragte Kleinbus, da unsere Route zunächst schnurgerade und autoarm durch die braun-grüne Buschsavanne des Chobe Nationalparks in Botswana verlief. Am Straßenrand noch einige auf  Touristen neugierige Elefanten, Büffel, Strauße, Meerkatzen und Rindviecher. Diesen Verkehrsteilnehmern angepasst, die wenigen Straßenschilder.


Die 450 km lange Fahrt zum nächsten Tagesziel, der Mahangu Safari Lodge am Okavango-River, ist weit, aber für afrikanische Verhältnisse nahezu bequem. Man passiert den einst problematischen Caprivi-Strip heute auf der B 8, dem sogenannten Trans-Caprivi-Highway. Zwar ist dieser, gesponsert aus deutscher Entwicklungshilfe, nach europäischem Standard kaum mehr als eine Landstraße zweiter Kategorie, man rollt aber auf gutem Asphalt.

Im Lauf der Geschichte erlebte der Caprivi bewegte Zeiten. Während Deutsch-Südwest gehörte die abgelegene Grenzregion nicht zum unmittelbaren Interessen- und Einflussgebiet, blieb von Kolonialpolitik und Schutztruppe nahezu unberührt. Nach 1915, während des Mandats der Südafrikanischen Union, war der Caprivi brisant, da Brennpunkt im "Struggle of Liberation". Folglich blieb die Flusslandschaft mit ihrer Fauna und Flora lange Zeit touristisch unterentwickelt. Noch vor einigen Jahren holperte man mühsam über Schotter, zudem riskant wegen lokaler Sezessionsquerelen der "Caprivier". Eigentlich typisch für ganz Afrika, erklären sich auch die geographische Eigentümlichkeit und politische Problematik des Caprivi-Zipfels kolonialhistorisch: Zum einen erfolgte die Grenzziehung aus dem Abkommen zwischen Deutschland und England rein pragmatisch ohne Rücksicht auf ethnische Gegebenheiten der einheimischen Bevölkerung. Getrennt wurden gewachsene Stämme, die sich seitdem neben Namibia, teils in Zambia und Angola, teils in Botswana befinden; betroffen sind insbesondere Menschen vom Volk der Lozi, Mafwe, Subia, Nyemba und San; noch immer gehört die Bantusprache Lozi zur Umgangssprache. Zum anderen war der Zipfel noch bis kurz vor Unabhängigkeit Namibias im Jahre 1990 militärisches Sperrgebiet. Zwischen Südafrikanischer Union und SWAPO wurde größtenteils im Grenzgebiet nach Angola und Zambia gekämpft, von wo aus die seitens Ostblock, Kuba und DDR unterstützten Freiheitskämpfer operierten. 1975 richteten südafrikanische Militärs eine 600 km lange und 2 km breite Pufferzone ein. Noch 1999 kam es in Katima Mulilo wieder einmal wegen aufflackernder Loslösungsbestrebungen zu politischen Unruhen, verbunden mit einer Fluchtbewegung von Aktivisten nach Zambia und Botswana. Vor diesem Hintergrund, aus unserer touristischen Sicht schade, dass die Teerstraße nicht wie die alte Ufer-Pad in Sichtweite des Zambezi, sondern südlicher gebaut wurde. Vermutlich auch eine Vorsichtsmaßnahme, um den Verkehr im Falle lokaler Konflikte "außer Schussweite" zu halten.

Nach 60 km Kleinbus erreichten wir Lukulu, den Grenzposten Botswana-Namibia an der Ngoma-Bridge. 


Bis dahin erstreckt sich der Chobe Nationalpark. Dort hatte Richard Alberts speziell umgebauten, achtsitzigen Toyota-Allrad-Landcruiser mit Hänger fürs Gepäck geparkt; nach Botswana hinein durfte er in seiner Funktion als namibischer tour-guide nicht fahren. Der Wagen war blitzsauber, von Albert generalüberholt und neu bereift; zu fünft hatten wir darin reichlich Platz, konnten komfortabel reisen.




An der Grenze, ein paar stattliche Baobab-Bäume, einer mit begehbarer, ehemaliger Gefängnis-Höhle im Stamm, die Sibille fotogen erkundete; zudem grandioser Fernblick in die Flussebene.

 


Seitlich des Trans-Caprivi-Highways sieht man recht gepflegte Krale.




Anschaulich erklärte uns Richard Aufbau und Bedeutung der meist runden, von Holz- oder Stroh-Palisaden umgebenen Dörfer und Gehöfte, worin die Menschen noch heute traditionell mit dem Vieh zusammenleben. Die Sozialordnung in den Stämmen und Heimstätten ist geschlechtsspezifisch, hierarchisch und gewohnheitsrechtlich strukturiert. Fern von der Zentralregierung in Windhoek herrschen lokal Häuptlinge, headmen und sogar Könige. Eine gewachsene Konstellation, die unseres Erachtens für die Förderung des namibischen Nationalbewusstseins im Sinne von "Einheit in der Verschiedenheit" und "Versöhnung", sprich "Policy of Reconciliation", sowohl Chance als auch Erschwernis sein könnte. Ein ausgewogenes Maß an Loyalität, Toleranz und Gerechtigkeit zu finden, dürfte sicherlich nicht leicht sein. Die Eingeborenen gelten als handwerklich und künstlerisch begabt und fleißig. Man erfährt dies am Straßenrand, wo Körbe, Tonwaren und anderes Kunstgewerbliches angeboten werden. Bei dieser Gelegenheit berichtete Richard aus Farmersicht über Eigenarten und Talente bestimmter namibischer Stämme generell. Anschaulich seine Beispiele, welche Stammesmitglieder erfahrungsgemäß für welche Funktionen besonders geeignet sind. Interessant auch, dass von den Einheimischen aus der Grundnahrung Mahangu-Hirse vielerlei hergestellt wird, wie z.B. Brei, Torte, Bier und Schnaps.

Am Straßenrand, vielfältig, kreativ und eigentlich eine eigene Foto-Session wert, die vielen, je nach Bodenbeschaffenheit in Aufbau und Färbung unterschiedlichen Termitenhügel, von denen man stets nur "die Spitze des Eisbergs" zu Gesicht bekommt. Zu neugierig sollte man nicht sein; selbst in schon verlassenen sollen sich Schlangen wohl fühlen!



 

Nach 100 km, Ankunft in Katima Mulilo.

Das am Zambesi gelegene, nordöstlichste Grenzstädtchen Namibias ist lebhaftes Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum der Caprivi-Region. Mit der mittels Deutschlandhilfe von Hochtief gebauten, 2004 eröffneten, kühngeschwungenen "Zambesi-Brücke", die am Wenela Border Post über den hier recht breiten, rapids enthaltenden Fluss nach Sesheke in Zambia geht, dem airfield und Caprivi-Highway ist Katima heute Verkehrsknotenpunkt, Warenumschlagplatz und Bindeglied, quasi "Handelskorridor", zwischen Namibia, Zambia und Botswana. Der Ort verfügt über keine Kolonialrelikte, aber über einen durchaus sehenswerten Afro-Wochenmarkt, ein Craft Centre hinter dem open market, einige shops und Supermärkte, Bankfilialen und moderne Tankstellen. Für uns einmal mehr Gelegenheit zum Tankstopp. Der hier sonst übliche Umtausch in Namibia $ war noch nicht möglich, da wir sonntags durchs Städtchen fuhren und menschenumlagerte Bankautomaten meiden wollten.


Nächste Station, 118 km von Katima weg, die auf einer hochwassersicheren Uferterrasse gelegene Ortschaft Kongola. Dort überquerten wir auf der B 8 die verkehrswichtige "Kongola-Brücke" über den Kwando-River; er kreuzt hier, von Angola nach Botswana kommend, den Caprivi.

Rast machten wir auf Richards Empfehlung an der Straße im „Chicken Hut“: Fassade lustig bemalt, food out, coffee strange, urige Typen vor und hinter dem Tresen. Klaus machte es sich vor der Tür gemütlich, sah spielenden Kindern zu.


Anschließend kamen wir an einen der "Veterinary Checkpoints", die die Verbreitung von Tierseuchen, insbesondere der Maul- und Klauenseuche, verhindern sollen. Nach kurzer Begrüßung konnten wir zügig passieren.

Weiter ging es auf der B 8 durch den Bwabwata Nationalpark. Vor ein paar Jahren aus der Fusion von Mahango Game Reserve und West-Caprivi Game Park entstanden, zählt dieser zu den landesweit schönsten und vielseitigsten Wildreservaten. Erklärtes Ziel: Die Regeneration der durch Krieg und Wilderer reduzierten Wildbestände. Von Angola her durchquert hier der Okavango-Fluss den Caprivi. Die Landschaft mit ihren Flussauen, Überschwemmungsebenen, Sümpfen und Waldsavannen gibt vielen Tier- und Vogelarten Schutz.

Nach 200 km erreichten wir Divundu. Der Ort hat gewissen Stellenwert für die Kavango-Region; bei bloßer Durchfahrt fallen jedoch nur ein paar Häuser, Tankstelle und Supermarkt auf. Links der Straße kam der Okawango in Sicht. Etwas weiter, beim Dorf  Bagani, dem Sitz von "local kings", passierten wir den Fluss über die "Bagani-Bridge", fuhren links ab 7 km am Fluss entlang, bogen auf dem Schleichweg ab zu den Popa Falls. Sie heißen im Volksmund auch „brodelnde Wasser“, was verdeutlichen soll: Eigentlich kein echter Wasserfall, sondern Stromschnellen. Auf einen Kilometer Breite wird der Okawango von einem Felsenriff durchzogen, welches wie ein Wellenbrecher rapids verursacht. Es fällt auf, wie klar das Wasser ist; man spricht daher auch von „White Falls“. Auf den Schleichwegen vom Park- und Campingplatz im Busch bis hin zum Fluss ist Vorsicht geboten: Das saubere Wasser mundet auch den Krokos und Hippos! Seltsam, die riesigen Spinnennetze in den Bäumen am Parkplatz; die "Hausbewohner" selbst hatten sich gut versteckt.


Inmitten dieser Natur, unweit der Popa Falls, direkt am Ufer des Okavango, liegt die Mahangu Safari Lodge, unser zuhause für die nächsten zwei Tage.

Man erreicht sie über einen schmalen, sandigen Damm durch ein Überflutungs-Reservoir mit Seerosen. Fröhliche Kinder winkten uns aus ihrem Einbaum zu. 


Wir hatten in dieser idyllischen lodge schon vor zwei Jahren, kurz vor ihrer Überschwemmung durch eine von Angola kommende Flutwelle, gewohnt. Damals schaffte man eiligst Sandsäcke herbei, ankerte die Boote der lodge schon startklar für eine etwaige Evakuierung. Albert fragte sich damals besorgt, wo er seinen Geländwagen wohl am sichersten parken konnte.

Schattig, unter hohen Marullabäumen verstecken sich die afrikatypischen, strohgedeckten Häuschen und die Wohnzelte der lodge. Auf dem Weg erinnerte uns die Haut einer gehäuteten Schlange, dass man bei aller Idylle in Afrika ist! Afrikanisch auch, die mit Jagdtrophäen geschmückte Bar. Unser Essen, originell auf einem Ponton am Flussufer unter Tierbeobachtung. Unser Keksproviant, nachts Opfer eines hungrigen Mäuschens.






Am nächsten Morgen, game drive im eigenen Wagen durch den nahe gelegenen "Mahango Game Park", jetzt erstmals mit open roof. Das handling des Fotodecks im team hatte Richard uns schnell beigebracht. 


Der Park, quasi nördlicher Ausläufer des berühmten Okawango-Deltas, ist hauptsächlich Paradies für birdwatchers; es soll hier die meisten Vogelarten Namibias geben. Wir erspähten u.a. Strauß, Rotbauchwürger, Gabelracke, Gelbschnabeltoko, Malachit Eisvogel und sogar Palmengeier. Dazu gab es im dichten Papyrus und Fingergras Impalas, Hippos, Warzenschweine, Giraffen, Pferdeantilopen und einen Rollkutscherkäfer am Wegrand. Befahrbar ist der Mahango Park über eine östliche und eine westliche Route. Erstaunlich, wie zuverlässig Richards Navi selbst in dieser Wildnis funktionierte!




Am Nachmittag fand mit Bootsführer Bernhard ein gemächlicher game drive entlang des Okawango-Ufers bis hin zum Buffalo-Park statt. Im Uferdickicht zeigte sich wieder eine Menge farbenprächtiger Vögel. Beim romantischen sundowner im Boot, gab es einen nicht ganz so freundlichen Abschiedsgruß vom letzten Hippo unserer Reise, dessen abendliche Ruhe wir wohl ein wenig gestört hatten. We feel sorry!















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