Samstag, 30. Juni 2012

Von Keetmanshoop nach Windhoek

Der vorletzte Tag unserer Reise war dem heißen Asphalt der namibischen „Autobahn“ B 1 gewidmet.

Die Fahrt verlief stets geradeaus auf striktem Nordkurs, zahlreiche Trockenreviere querend, immer parallel zu Eisenbahnschienen ohne sichtbaren Zugverkehr. Nur allzu gerne hätten wir einen Abstecher nach rechts in den Kalahari Gemsbok National Parkt mit seinen "roten Dünen" gemacht, deren Sandkörner von Eisenoxyd ummantelt sind, und einen der legendären schwarz-mähnigen Kalahari-Löwen gesichtet. Richard schwärmte so von dieser einmaligen Landschaft; seine Heimat, die Omaheke-Region mit Gobabis, ist ebenfalls Teil der riesigen Kalahari. Dafür blieb aber leider absolut keine Zeit mehr. Um noch etwas Muße für Windhoek zu haben, galt es, möglichst zügig und sicher die 500 km durch endlos erscheinendes Binnenhochland zurückzulegen.

Wir wußten ja nun zur Genüge: Das Afrika, das zieht sich!



Von uns mehr oder weniger wahrnehmbare Stationen im Streckenverlauf waren: 

Der kreisförmige, kraterähnliche Brukkarros-Berg. Er thront nahe dem Dorf Berseba und des Fisch-Flusses, im Übergang von der Karas- zur Hardap-Region, wie eine Felseninsel 600 m über der weiten Steppenlandschaft; noch streitet man sich, ob vulkanisch oder durch Errosion oder durch beides entstanden.

Gibeon am Fisch-Fluss im Nama-Kernland. Als Ort unscheinbar, jedoch von gewissem historischem Interesse: Zum einen, weil dort der Stammsitz des kampferprobten Hendrik Witbooi war. Der anfangs mit den Deutschen verbündete Nama-Führer begann just im Ausklang des Herero-Aufstands, gemeinsam mit Jakob Morenga, dem "schwarzen Napoleon", den als "Hottentotten-Aufstand" bekannt gewordenen, von 1904 bis 1907 dauernden, hartnäckigen Versuch, die deutsche Vorherrschaft durch ungewohnte Guerillataktik zu brechen. Zum anderen kennen insiders Gibeon durch den hier niedergegangenen  „Meteoritenregen“. Ausgesuchte Exemplare aus dem Streufeld der Eisen-Meteoriten kann man in Windhoek in der lebhaften Post Street Mall hinter dem Clock Tower als Skulpturen-Ensemble bewundern.

Bei Opikopi passierten wir die zur gleichnamigen Farm am Packriem-Revier gehörende, einsame „Bahnstation“ Falkenhorst“, nur durch ein Namensschild an den Gleisen erkennbar. Im Hintergrund, die kalkhaltigen Weiß- bzw. Witrand-Berge; vorn an der Straße, eine Horde durch uns aufgescheuchte Paviane.

250 km vor Windhoek, linkerhand Mariental, Ort mit Pioniercharakter, benannt nach einer ehemaligen deutschen Farm; heute Verwaltungs-, Handels- und Versorgungszentrum des mittleren Südens. Nur 20 km vom Städtchen entfernt der Hardap-Damm, der Kraft des nahezu ganzjährig wasserführenden Fisch-Flusses größte Stausee Namibias. Im Bewässerungsgebiet drumherum einige Großfarmen mit Schafzucht und, wie am Naute-Damm, Anbau von Obst, Gemüse etc. bis hin zu Wein. Rechts von der B 1 zumindest ein Einblick in die Peripherie der roten Dünenlandschaft der  Kalahari. An der Straßenkreuzung zum Ortszentrum machten wir im supermodernen Wimpy kurze Kaffeepause. 

Auf halber Strecke zwischen Mariental und Reoboth die Ortschaft Kalkrand. Nur ein paar Häuser und Tankstelle, Beginn des Rehobot-Distrikts; Abzweig zu dem bei freaks international bekannten Segelflugplatz Bitterwasser.

Nochmals, diesmal ohne Stopp, über den „Tropic of Capricorn“ hinweg.

Dann, 90 km vor Windhoek, Rehoboth. Die alte Basterstadt an einer heißen Thermalquelle, die einst ein Missionar nach dieser Rehoboth nannte, wirkt recht großflächig vor den Bergen, gleichwohl wie eine strukturarme Streusiedlung um den roten Wasserturm herum. Noch heute bestehen die Nachkommen der 1868 aus der Kapprovinz unter Führung ihres Kapitäns Hermanus van Wijk und des deutschen Missionars Heidmann hergezogenen Rehoboth-Baster, Mischlinge weißer „Trekburen“ und  schwarzer Nama- bzw. Khoisan-Frauen, als ethnische Minorität in ihrer community auf Teilautonomie. Umgangssprache in ihrer "Bastergemeente" ist nach wie vor Afrikaans.

Zuletzt, jetzt teils mehrspurig, rasante Passfahrt über die fast 2000 m hohen Auas-Berge mit "Moltkeblick" als höchsten Punkt. Dahinter in Sicht, der Talkessel und Vororte von Windhoek.

Endziel erreicht! Richard was right: Das Afrika, das zog sich!

Wie vor zwei Jahren mit Albert wohnten wir wieder nahezu einheimisch bei Frau Grubert in der kleinen, gepflegten Pension Haus Sonneneck mit großen Zimmern, grünem Garten, Pool, hohen Bäumen und den aufmerksamen Dackeln Lümmel und Jule. Die Lage am Standtrand in Erospark, hin zu den Erosbergen, geeignet, um durchzuatmen und Reiseeindrücke zu rekapitulieren. 




Nach dem Einchecken hatten wir noch Zeit fürs shopping im „Namibia Craft Center“ im Old Breweries Building in der Tal Street  nahe Ausspannplatz. Geschmackvolles Angebot an Kultur, Kunsthandwerk und Souveniers bei netter Bedienung. Nicht zuletzt erwähnentswert, die XXL-Tasse leckeren Cappuccinos im gediegenen Craft Cafe der ersten Etage. Unser Abendessen, wo anders konnte es sein, wieder im "Joe`s Beer House", dem angesagtesten In-Lokal Windhoeks mit verwinkeltem Biergarten. Gesellig, Bier vom Fass, tolle Speisekarte, leckeres Essen für jeden Geschmack.



Am nächsten Morgen, die Koffer für den Rückflug schon gepackt, hatten wir noch Gelegenheit für Rundfahrt und Bummel durch die 1890 vom Schutztruppen-Hauptmann Curt von Francois gegründete Hauptstadt. In dieser Gegend hatte bereits 1840 der Nama-Führer Jonker Afrikaner gesiedelt und sie in Erinnerung an seine südafrikanische Heimat auf kapholländisch Windhoek genannt.

Windhoek ist wirtschaftlicher und zugleich geografischer Mittelpunkt Namibias. Dank der Höhenlage auf einem Hochplateau von über 1.600 m herrschen durchweg angenehme Temperaturen. Rundherum ist Gebirge: Im Südosten die Auasberge, im Nordosten die Erosberge und im Westen das Khomashochland. Diejenigen, die Windhoek länger kennen, wissen: Das Erscheinungsbild der Hauptstadt mit ihren heute gegen 400.000 Einwohnern wandelt sich zusehends von immer mehr Neuem zu weniger Altem! Zur Geschichte und Entwicklung des Landes gehörende Relikte werden, wie leider so oft in Afrika, entfernt oder vesteckt, müssen neuzeitlichen Denkmälern und Statussymbolen sowie dem Beton moderner Hochhäuser und Shoppingcenter weichen. Angenehm fällt auf, wie sauber die Innenstadt geworden ist. Einzigartig, der Ausblick über die skyline vom „Lovers point“, den Richard mit uns, vorbei an seinem früheren Internat, der Delta Secondary High School im Stadtteil Olympia, hochfuhr.


Uns zog es zuerst in die „Kulturmeile“ der Robert Mugabe Avenue, der früheren Leutwein Straße. Minimum an Touristenpflicht dort: Stopp beim Tintenpalast mit schöner Gartenanlage und Statuen. 



Zudem, die dem Frieden geweihte Christuskirche im neugotischen Stil mit alten Bleiverglasungen. Nahe bei, der nun etwas versetzte „Reiter von Südwest“ mit seiner charakteristischen Krempe am Filzhut. Er erinnert an die Gefallenen der Herero- und Nama- bzw. "Hottentotten"-Aufstände, feierte im Januar seinen einhundertsten Geburtstag. Wir fanden, sein neuer Standort direkt vor dem Portal der "Alten Feste" ist eigentlich genauso passend wie der auf dem Hügel vor der Kirche. Immerhin noch besser, als wenn das historische Denkmal aus politischen Gründen ganz von der Bildfläche verschwinden müsste!



Demgegenüber, doch recht gewöhnungsbedürftig: Die von China und Nordkorea in den letzten Jahren errichteten bzw. gesponserten Monumentalbauten. Das neue, noch nicht eröffnete "Independence Memorial Museum" sowie das "New State House" mit seinen Plastik-Welwitschias im Sicherheitszaun sollen wohl bewusst das geschichtsträchtige Umfeld überlagern. Schon auffällig: Im Zeichen der Globalisierung kaufen sich Asiaten, insbesondere Chinesen, im Eigeninteresse in Afrika immer mehr ein, gewinnen auch in Namibia zunehmend politischen und ökonomischen Einfluss, verbuchen erheblichen Landerwerb und maßgebliche Beteiligungen an Unternehmen und Rohstoffvorkommen, machen so abhängig und bestimmen über Investitionen und Arbeitsplätze auch für eigene Landsleute. Je nach Blickwinkel, irgendwie schon eine Art " neuzeitlicher Kolonialisierung in anderem Gewande", die gerade solche Länder, die als Ex-Kolonien unter europäischem Kolonialismus zu leiden hatten, nachdenklich und vorsichtig machen sollte!


Weiteres must im Kurzprogramm: Die Schleichfahrt über die Independence Avenue, der ehemaligen Kaiserstraße. Sie wird bestimmt von Hochhäusern, Hotels, Autoverkehr, Ampeln und Passanten, black, coloured und pale. Dazwischen, letzte koloniale Straßenerben im Jugendstil, wie der von Sander gebaute Gathemann-Komplex, daneben das Erkrath-Haus. 


Interessant auch der historische, nach wie vor in Funktion befindliche Bahnhof mit den vor der Tür stehenden alten Loks, wie der niedlichen Schmalspurbahn „Poor Old Joe“ aus Pionierzeiten und der furchteinflössenden, beige-gelb gepanzerten Kampflok aus dem Unabhängigkeitskrieg. Uns blieb noch etwas Zeit für letzte Einkäufe. Heide erhielt in der Deutschen Bücherei ihren ersehnten Afrikakalender 2013. Ein Tipp, um mal rein zu schauen: „Bushman Art and African Museum“ in der Independence Avenue bei Gathemann. 


Damit näherte sich unsere wunderschöne Safari ihrem Ende. Einmal mehr hatten Namibia und Alberts Nomtsas uns unvergessliche Abenteuer beschert. Über 5.000 km waren wir von Ost nach West und von Nord nach Süd durch weite, wechselnde Landschaften gereist, waren freundlichen und interessanten Menschen begegnet; hatten ein wenig an Gefühl für Raum und Zeit verloren; waren einfach namibisch angepasster geworden nach dem Motto: "In Africa, time is slower - so, tune into African time"! Das afrikanische Winterwetter war für uns ideal: Null Regen, tagsüber strahlende Sonne und blauer Himmel pur bei "trockener, schwitzarmer Wärme" um 25 Grad, nachts leuchtendklares Sternenzelt bei angenehmer Kühle bis unter 10 Grad. 

Höchstes Lob gebührt Richard Riedel! Ein sympathischer, einfühlsamer und zuvorkommender Mann. Er war für uns ein exzellenter guide und Fahrer; wir hatten stets "gute Pad"! Die ganze Zeit über fühlten wir uns mit ihm sicher, kompetent instruiert und wohl. Mit ihm hatte Albert für uns die richtige Wahl getroffen. Immer wieder würden wir bedenkenlos mit Richard reisen!

Kurz gesagt: Unsere Safari 2012 war ein voller Erfolg, hat bei Sibille und mir den „Afrika-Bazillus“ noch tiefer verankert! Unsere „Namibia-Neuen“, Heide und Klaus, sind tief beeindruckt. Sie verstehen jetzt viel besser die Bedeutung von Strophe drei des alten „Südwesterliedes“, wo es heißt: „Und kommst du selber in unser Land und hast seine Weiten gesehen, und hat unsere Sonne ins Herz dir gebrannt, dann kannst du nicht wieder gehen“! Last not least freuen Ingrid und Armin sich bestimmt schon auf unsere Erzählungen und Fotos.

Pünktlich brachte Richard uns auf der B 6 die letzten 40 km über hügelige Savanne zum außerhalb des Windhoek-Talkessels liegenden International Airport. Er trägt den Namen von "Hosea Kutako", einstiger Herero-Häuptling, der sich gemeinsam mit Sam Nujoma in der SWAPO für die Unabhängigkeit Namibias gegen Südafrika eingesetzt hatte. Sein Denkmal im Park des Tintenpalastes hält die geschichtliche Erinnerung an die Freiheitsbewegung und Gründung des "jungen" Staates auf einem der erdältesten Böden wach.


Um 15.10 Uhr hob South African Airlines Flug SAA 077 mit uns ab nach Johannesburg! Es war, wie es sich für Windhoek gehört, recht windig!

Bye, bye beautiful Namibia - travelling through is a real privilege! We know for sure we will see you again!



 





Walter Boemans

Juni 2012

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen