Samstag, 30. Juni 2012

Vom Okavango nach Etosha

Wenn auch auf guter Teerstraße, lag jetzt mit rund 600 km B 8 die längste Tagesetappe vor uns: Vom Okavango nach Etosha! Afrika, das zieht sich!

Zunächst bei Divundu wieder über die Brücke, sodann 220 km schurgerade bis Rundu, vorbei an weitem Buschland, grünen Mopanebäumen, Monkey Orange Trees und Unmengen Rietgras, Fingerhirse bzw. Mahangu-Getreide und kleinen Krals mit freundlich winkenden Menschen.

Rundu, die zweitgrößte Stadt Namibias, liegt an der Schnittstelle der bevölkerungsreichen Regionen Ovamboland und Caprivi; gilt als „Tor zum Caprivi“. Für uns, die wir vom Caprivi kamen, war Rundu somit das „Ausgangstor nach Etoscha“! Hier schwenkt die B 8 südwärts Richtung Grootfontein. Geradeaus gehts ins unwegsame Kaokofeld zu den Himbas, weiter zum Kunene-River und zur Skeleton-Coast. 

Rundu selbst bietet außer dem unspektakulär am Rande vorbeifließenden Okavango kaum Sehenswertes. 



Als Haupt- und Grenzort der Kavango-Region ist die Stadt inzwischen dicht besiedelt und auch für Angolaner Durchgangs- und Umschlagstation für Güter und Dienstleistungen geworden. Angola konnten wir auf der gegenüberliegenden Flussseite sehen. Ab Rundu werden die Uhren eine Stunde zurückgestellt; wir hatten also Zeit gewonnen. Bis Tsumeb, dem in Buschmann-Sprache „in lose Erde gegrabenen Loch“, waren es noch 300 km.

Im Grunde beginnt erst ab Grootfontein bzw. Tsumeb das kommerzielle Farmland, erkennbar u.a. an  den vielfältigen Zäunen, von denen der Kenner auf die jeweiligen Tiere im Gelände rückschließen kann. Bei ökonomisch Interessierten kommt  die Frage auf, warum die großflächigen, relativ grünen, von Wasserläufen durchzogenen Regionen im höheren Norden Namibias, die allesamt kommunal, also im Staats- bzw. Gemeindeeigentum sind, weitestgehend brach liegen, nicht fürs kommerzielle Großfarming oder anderweitig genutzt werden. Dies erscheint um so fragwürdiger, weil dort kaum Arbeitskräftemangel herrschen dürfte: Der Großteil der Bevölkerung Namibias lebt im "Ovamboland" nördlich des Veterinärszauns. Die Ovambos, deren Stamm über die SWAPO seit Staatsgründung das Regierungsgeschäft und die Präsidenten der Republik, Sam Nujoma und Hifikepunye Pohamba, bestimmt, sind traditionell eher landwirtschaftsorientiert sesshaft. Jetzt müssen viele jedoch notgedrungen "auf Wanderschaft" gehen, kommen nur selten vom job nach Hause. Mittlerweile durchzieht neben der B 8 sogar eine mit Auslandshilfe erbaute, moderne Hochspannungsleitung zur Stromversorgung unübersehbar das Land. Staatliche Expertisen betonen zwar das Ziel einer Erschließung und Nutzung des unbewirtschafteten Produktionspotenzials dieser enormen Flächen mit ihren natürlichen Ressourcen; zumindest als Tourist erkennt man im Vorbeifahren aber in der Regel nur kleindörfliche, kleingartenähnliche Subsistenzwirtschaft zur Eigen- bzw. Familienversorgung; manchmal tauchen sogar Überreste einstiger Farmen auf. Eine Produktion für Märkte außerhalb des Dorfes scheint grundsätzlich nicht stattzufinden. Zudem dürfte eine offene, ökonomische Viehhaltung im größeren Stil durch den Veterinärzaun erschwert bzw. verhindert werden, dessen Auflagen für die Kleinbauern eine systematische Rindervermarktung nach Süden und in den Export faktisch verhindert. Dies alles lässt vermuten: Das auch im Tourismus bekannt gewordene "Resettlement Program" scheint vorrangig politischer und nur vordergründig wirtschaftlicher Natur zu sein. Offenbar zielt die Reformpolitik der Verteilung von Land auf schwarze Namibier hauptsächlich ab auf Umverteilung bestehender, von weißen Namibiern gegründeter, funktionsfähiger Farmen, weniger auf Nutzbarmachung bzw. Neuansiedlung der weiten, noch unerschlossenen Gebiete im Staatsbesitz.

Ganz anders die Lage ab dem hinter dem Veterinärzaun gelegenen kommerziellen Farmland des sogenannten "Maisdreicks". Nirgendwo sonst in Namibia liegen größere Orte so dicht beieinander wie im landwirtschaftlich und industriell wichtigen Städtedreieck Otavi-Grootfontein-Tsumeb. Hier finden zumeist auch die aus dem Norden kommenden Ovambos und andere Stammesmitglieder Arbeit auf Farmen und in Betrieben.

Geschichtlich ist anzumerken: Im Umfeld von Otavi, bei Khorab, musste einst die deutsche Schutztruppe unter Franke 1915 gegenüber der südafrikanischen Übermacht unter Botha kapitulieren.

Wir machten stopover in Grootfontein, um Namibia $ am Bankautomaten einzutauschen und einen snack im Cafe des Spar-Supermarktes einzunehmen. Ein Hingucker dort: Traditionsbewusste, wenn auch fotounfreundliche Hererofrauen in ihren voluminösen, farbenfrohen, modisch aus Missionarszeiten stammenden, viktorianischen Kleidern mit mehrlagigen, bauschigen Röcken und der charakteristischen, zum Dreieck gebundenen, Rinderhörner symbolisierenden Kopfhaube. Jede Herero-Untergruppe hat eigene Farben, wie z.B. rot-schwarz die Maharero-Linie aus Okahandja, schwarz-weiß die Zeraua-West-Hereros aus Omaruru und grün-weiß-schwarz die Ovambanderu aus dem östlichen Gobabis. Nachzulesen ist, dass die hübschen, dereinst recht offenherzigen Herero-Mädchen, so vermummt, weniger Konkurrenz für die prüden Missionarsfrauen gewesen sein sollen!

 

Aus Zeitgründen verzichteten wir diesmal auf den 60 km Umweg zum"Hoba"-Meteroiten.

"Beware of the falling meteorite!" Der wie maschinell gefräste, rechteckige Eisen-Nickel-Brocken knallte vor etwa 80.000 Jahren auf die Erde. Er liegt auf der Farm Hoba, wurde erst 1920 vom Farmer Brits auf seinem Gelände entdeckt, nahezu ebenerdig und noch umhüllt von einem dicken Kalksteinpanzer. Bis dato gilt er als größter, weltweit gefundener Meteorit, ist als nationales Monument dekorativ von einem kleinen Amphitheater umrandet. Sein Rätsel: Wie kam es zu seiner geometrischen Form und wieso bewirkten sein enormes Gewicht und die hohe Fallgeschwindigkeit aus dem All keinen tieferen Einschlagkrater?

Für uns ging es entlang der Otavi-Bergkette direkt weiter auf der C 42 nach Tsumeb. Am Straßenrand einige neugierige Paviane und Warthogs.

Tsumeb, das geschichtsträchtige Städtchen zu Füßen der Otavi-Berge hat zwei Gesichter: Einerseits noch immer als Bergbaustadt; andererseits als „Gartenstadt“ mit Jakaranda, Flamboyant und Bougainvilleen. Hintergrund hierfür: Tsumeb existiert seit über 100 Jahren aufgrund reichhaltiger Erzvorkommen. Hier lagern vor allem Kupfer und Blei, ferner Silber, Zink, Cadmium, Azurit, Kalzit und Germanium; hinzu kommen diverse Kristalle und Edelsteine; all in all über 200 Mineralien.


Schon während der Kolonialzeit wurde von der Otavi Minen- und Eisenbahngesellschaft konzentriert Bergbau betrieben. Wassermangel herrscht lokal nicht. Es gibt, für Namibia untypisch, ergiebige, teils unterirdische Karstseen. Tsumeb wurde so Schwerpunkt für Explorationen und Investitionen, wie z.B. einer Eisenbahnlinie nach Swakopmund zur Erzverschiffung. Damit verbunden waren Arbeitsplätze, städtische Attraktivität und Wohlstand. Für Bergingenieure, Mineralogen und Mineraliensammler ist Tsumeb noch heute Begriff und Eldorado. Erst seit kurzem liegt die „Grand Old Lady“-Mine völlig still; ihre Fundstätten sind geflutet. Zuvor gab es immer wieder Streiks, Unruhen, Schließungen und Wiederinbetriebnahmen mit negativen Folgewirkungen wie Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Relikte der Mine, wie Förderturm, Barbara-Kirche, Bahnhof, Minenhotel und OMEG-Verwaltungsgebäude bestimmen nach wie vor das Stadtbild.

Eine weitere Hinterlassenschaft: Kurz vor ihrer Kapitulation versenkte die Schutztruppe vor den Toren der Stadt im Otjikoto-See ihre schweren Waffen, damit diese nicht in Feindeshand fielen. Ein Teil davon wurde vor Jahren in waghalsigen Tauchgängen gehoben und, wie z.B. eine Krupp-Maschinenkanone, hervorragend museumsgerecht restauriert. Andere Artefakte befinden sich verborgen auf dem tiefen Seegrund; darunter soll der Fama nach auch ein voller Geldschrank sein; wieder andere wurden von Tauchern auf einer Felsnase im klaren Wasser in einer Art Unterwassermuseum deponiert. 

Einen ausgezeichneten Einblick in die Entwicklung der Stadt bekamen wir im Heimatmuseum in einem alten Schulgebäude an der Main Street. Richard hatte es geschafft, noch zur Öffnungszeit anzukommen. Von seiner „guten Seele“ Ilse Schatz, einer ehemaligen Farmerin, gegründet, informiert das Museum anschaulich über Geschichte, Bevölkerung, Kultur und Mine; enthält interessante Mineralien-, Waffen- und Briefmarkensammlungen. Schade nur, dass die herrlichen Jakarandas im gepflegten Stadtpark vor der Tür noch nicht blühten!




Nach kurzem Aufenthalt in Tsumeb, jetzt noch 90 km B 1 und C 38 bis Etosha. Vorbei am legendären Otjikotosee, der durch ein Kalkstein-Höhlensystem mit dem etwa 15 km abseits gelegenen Guinas-See verbunden sein soll.  Beide Seen näher anzusehen, ersparten wir uns, zumal es am Otjikoto ziemlich touristisch geworden ist.

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