Samstag, 30. Juni 2012

Abenteuersafari 2012 - Stationen

in Victoria Falls, Zimbabwe
The Kingdom Hotel“

am Chobe River in Namibia gegenüber Kasane
Zovu Elephant Lodge“

am Okavango River bei Divundu
Mahangu Safari Lodge“

vor Etosha beim von Lindequist Gate
Onguma Bush Camp“

im Etosha Nationalpark
Okaukuejo Restcamp“

an den Terrassen des Ugab Reviers
Vingerklip Lodge“

im Aba-Huab Revier bei Khorixas
Twyfelfontein Country Lodge“

in Swakopmund
Hotel Pension Rapmund“

in den Dünen beim Sossusvlei
Sossus Dune Lodge“

im Biosphärenreservat der Tirasberge
Namtib Desert Lodge“

in Lüderitzbucht am Atlantik
Nest Hotel“

am Fish River Canyon
Canyon Lodge“

in Keetmanshoop beim Köcherbaumwald
Gesserts Guesthouse“

in Windhoek
Haus Sonneneck“

Von Keetmanshoop nach Windhoek

Der vorletzte Tag unserer Reise war dem heißen Asphalt der namibischen „Autobahn“ B 1 gewidmet.

Die Fahrt verlief stets geradeaus auf striktem Nordkurs, zahlreiche Trockenreviere querend, immer parallel zu Eisenbahnschienen ohne sichtbaren Zugverkehr. Nur allzu gerne hätten wir einen Abstecher nach rechts in den Kalahari Gemsbok National Parkt mit seinen "roten Dünen" gemacht, deren Sandkörner von Eisenoxyd ummantelt sind, und einen der legendären schwarz-mähnigen Kalahari-Löwen gesichtet. Richard schwärmte so von dieser einmaligen Landschaft; seine Heimat, die Omaheke-Region mit Gobabis, ist ebenfalls Teil der riesigen Kalahari. Dafür blieb aber leider absolut keine Zeit mehr. Um noch etwas Muße für Windhoek zu haben, galt es, möglichst zügig und sicher die 500 km durch endlos erscheinendes Binnenhochland zurückzulegen.

Wir wußten ja nun zur Genüge: Das Afrika, das zieht sich!



Von uns mehr oder weniger wahrnehmbare Stationen im Streckenverlauf waren: 

Der kreisförmige, kraterähnliche Brukkarros-Berg. Er thront nahe dem Dorf Berseba und des Fisch-Flusses, im Übergang von der Karas- zur Hardap-Region, wie eine Felseninsel 600 m über der weiten Steppenlandschaft; noch streitet man sich, ob vulkanisch oder durch Errosion oder durch beides entstanden.

Gibeon am Fisch-Fluss im Nama-Kernland. Als Ort unscheinbar, jedoch von gewissem historischem Interesse: Zum einen, weil dort der Stammsitz des kampferprobten Hendrik Witbooi war. Der anfangs mit den Deutschen verbündete Nama-Führer begann just im Ausklang des Herero-Aufstands, gemeinsam mit Jakob Morenga, dem "schwarzen Napoleon", den als "Hottentotten-Aufstand" bekannt gewordenen, von 1904 bis 1907 dauernden, hartnäckigen Versuch, die deutsche Vorherrschaft durch ungewohnte Guerillataktik zu brechen. Zum anderen kennen insiders Gibeon durch den hier niedergegangenen  „Meteoritenregen“. Ausgesuchte Exemplare aus dem Streufeld der Eisen-Meteoriten kann man in Windhoek in der lebhaften Post Street Mall hinter dem Clock Tower als Skulpturen-Ensemble bewundern.

Bei Opikopi passierten wir die zur gleichnamigen Farm am Packriem-Revier gehörende, einsame „Bahnstation“ Falkenhorst“, nur durch ein Namensschild an den Gleisen erkennbar. Im Hintergrund, die kalkhaltigen Weiß- bzw. Witrand-Berge; vorn an der Straße, eine Horde durch uns aufgescheuchte Paviane.

250 km vor Windhoek, linkerhand Mariental, Ort mit Pioniercharakter, benannt nach einer ehemaligen deutschen Farm; heute Verwaltungs-, Handels- und Versorgungszentrum des mittleren Südens. Nur 20 km vom Städtchen entfernt der Hardap-Damm, der Kraft des nahezu ganzjährig wasserführenden Fisch-Flusses größte Stausee Namibias. Im Bewässerungsgebiet drumherum einige Großfarmen mit Schafzucht und, wie am Naute-Damm, Anbau von Obst, Gemüse etc. bis hin zu Wein. Rechts von der B 1 zumindest ein Einblick in die Peripherie der roten Dünenlandschaft der  Kalahari. An der Straßenkreuzung zum Ortszentrum machten wir im supermodernen Wimpy kurze Kaffeepause. 

Auf halber Strecke zwischen Mariental und Reoboth die Ortschaft Kalkrand. Nur ein paar Häuser und Tankstelle, Beginn des Rehobot-Distrikts; Abzweig zu dem bei freaks international bekannten Segelflugplatz Bitterwasser.

Nochmals, diesmal ohne Stopp, über den „Tropic of Capricorn“ hinweg.

Dann, 90 km vor Windhoek, Rehoboth. Die alte Basterstadt an einer heißen Thermalquelle, die einst ein Missionar nach dieser Rehoboth nannte, wirkt recht großflächig vor den Bergen, gleichwohl wie eine strukturarme Streusiedlung um den roten Wasserturm herum. Noch heute bestehen die Nachkommen der 1868 aus der Kapprovinz unter Führung ihres Kapitäns Hermanus van Wijk und des deutschen Missionars Heidmann hergezogenen Rehoboth-Baster, Mischlinge weißer „Trekburen“ und  schwarzer Nama- bzw. Khoisan-Frauen, als ethnische Minorität in ihrer community auf Teilautonomie. Umgangssprache in ihrer "Bastergemeente" ist nach wie vor Afrikaans.

Zuletzt, jetzt teils mehrspurig, rasante Passfahrt über die fast 2000 m hohen Auas-Berge mit "Moltkeblick" als höchsten Punkt. Dahinter in Sicht, der Talkessel und Vororte von Windhoek.

Endziel erreicht! Richard was right: Das Afrika, das zog sich!

Wie vor zwei Jahren mit Albert wohnten wir wieder nahezu einheimisch bei Frau Grubert in der kleinen, gepflegten Pension Haus Sonneneck mit großen Zimmern, grünem Garten, Pool, hohen Bäumen und den aufmerksamen Dackeln Lümmel und Jule. Die Lage am Standtrand in Erospark, hin zu den Erosbergen, geeignet, um durchzuatmen und Reiseeindrücke zu rekapitulieren. 




Nach dem Einchecken hatten wir noch Zeit fürs shopping im „Namibia Craft Center“ im Old Breweries Building in der Tal Street  nahe Ausspannplatz. Geschmackvolles Angebot an Kultur, Kunsthandwerk und Souveniers bei netter Bedienung. Nicht zuletzt erwähnentswert, die XXL-Tasse leckeren Cappuccinos im gediegenen Craft Cafe der ersten Etage. Unser Abendessen, wo anders konnte es sein, wieder im "Joe`s Beer House", dem angesagtesten In-Lokal Windhoeks mit verwinkeltem Biergarten. Gesellig, Bier vom Fass, tolle Speisekarte, leckeres Essen für jeden Geschmack.



Am nächsten Morgen, die Koffer für den Rückflug schon gepackt, hatten wir noch Gelegenheit für Rundfahrt und Bummel durch die 1890 vom Schutztruppen-Hauptmann Curt von Francois gegründete Hauptstadt. In dieser Gegend hatte bereits 1840 der Nama-Führer Jonker Afrikaner gesiedelt und sie in Erinnerung an seine südafrikanische Heimat auf kapholländisch Windhoek genannt.

Windhoek ist wirtschaftlicher und zugleich geografischer Mittelpunkt Namibias. Dank der Höhenlage auf einem Hochplateau von über 1.600 m herrschen durchweg angenehme Temperaturen. Rundherum ist Gebirge: Im Südosten die Auasberge, im Nordosten die Erosberge und im Westen das Khomashochland. Diejenigen, die Windhoek länger kennen, wissen: Das Erscheinungsbild der Hauptstadt mit ihren heute gegen 400.000 Einwohnern wandelt sich zusehends von immer mehr Neuem zu weniger Altem! Zur Geschichte und Entwicklung des Landes gehörende Relikte werden, wie leider so oft in Afrika, entfernt oder vesteckt, müssen neuzeitlichen Denkmälern und Statussymbolen sowie dem Beton moderner Hochhäuser und Shoppingcenter weichen. Angenehm fällt auf, wie sauber die Innenstadt geworden ist. Einzigartig, der Ausblick über die skyline vom „Lovers point“, den Richard mit uns, vorbei an seinem früheren Internat, der Delta Secondary High School im Stadtteil Olympia, hochfuhr.


Uns zog es zuerst in die „Kulturmeile“ der Robert Mugabe Avenue, der früheren Leutwein Straße. Minimum an Touristenpflicht dort: Stopp beim Tintenpalast mit schöner Gartenanlage und Statuen. 



Zudem, die dem Frieden geweihte Christuskirche im neugotischen Stil mit alten Bleiverglasungen. Nahe bei, der nun etwas versetzte „Reiter von Südwest“ mit seiner charakteristischen Krempe am Filzhut. Er erinnert an die Gefallenen der Herero- und Nama- bzw. "Hottentotten"-Aufstände, feierte im Januar seinen einhundertsten Geburtstag. Wir fanden, sein neuer Standort direkt vor dem Portal der "Alten Feste" ist eigentlich genauso passend wie der auf dem Hügel vor der Kirche. Immerhin noch besser, als wenn das historische Denkmal aus politischen Gründen ganz von der Bildfläche verschwinden müsste!



Demgegenüber, doch recht gewöhnungsbedürftig: Die von China und Nordkorea in den letzten Jahren errichteten bzw. gesponserten Monumentalbauten. Das neue, noch nicht eröffnete "Independence Memorial Museum" sowie das "New State House" mit seinen Plastik-Welwitschias im Sicherheitszaun sollen wohl bewusst das geschichtsträchtige Umfeld überlagern. Schon auffällig: Im Zeichen der Globalisierung kaufen sich Asiaten, insbesondere Chinesen, im Eigeninteresse in Afrika immer mehr ein, gewinnen auch in Namibia zunehmend politischen und ökonomischen Einfluss, verbuchen erheblichen Landerwerb und maßgebliche Beteiligungen an Unternehmen und Rohstoffvorkommen, machen so abhängig und bestimmen über Investitionen und Arbeitsplätze auch für eigene Landsleute. Je nach Blickwinkel, irgendwie schon eine Art " neuzeitlicher Kolonialisierung in anderem Gewande", die gerade solche Länder, die als Ex-Kolonien unter europäischem Kolonialismus zu leiden hatten, nachdenklich und vorsichtig machen sollte!


Weiteres must im Kurzprogramm: Die Schleichfahrt über die Independence Avenue, der ehemaligen Kaiserstraße. Sie wird bestimmt von Hochhäusern, Hotels, Autoverkehr, Ampeln und Passanten, black, coloured und pale. Dazwischen, letzte koloniale Straßenerben im Jugendstil, wie der von Sander gebaute Gathemann-Komplex, daneben das Erkrath-Haus. 


Interessant auch der historische, nach wie vor in Funktion befindliche Bahnhof mit den vor der Tür stehenden alten Loks, wie der niedlichen Schmalspurbahn „Poor Old Joe“ aus Pionierzeiten und der furchteinflössenden, beige-gelb gepanzerten Kampflok aus dem Unabhängigkeitskrieg. Uns blieb noch etwas Zeit für letzte Einkäufe. Heide erhielt in der Deutschen Bücherei ihren ersehnten Afrikakalender 2013. Ein Tipp, um mal rein zu schauen: „Bushman Art and African Museum“ in der Independence Avenue bei Gathemann. 


Damit näherte sich unsere wunderschöne Safari ihrem Ende. Einmal mehr hatten Namibia und Alberts Nomtsas uns unvergessliche Abenteuer beschert. Über 5.000 km waren wir von Ost nach West und von Nord nach Süd durch weite, wechselnde Landschaften gereist, waren freundlichen und interessanten Menschen begegnet; hatten ein wenig an Gefühl für Raum und Zeit verloren; waren einfach namibisch angepasster geworden nach dem Motto: "In Africa, time is slower - so, tune into African time"! Das afrikanische Winterwetter war für uns ideal: Null Regen, tagsüber strahlende Sonne und blauer Himmel pur bei "trockener, schwitzarmer Wärme" um 25 Grad, nachts leuchtendklares Sternenzelt bei angenehmer Kühle bis unter 10 Grad. 

Höchstes Lob gebührt Richard Riedel! Ein sympathischer, einfühlsamer und zuvorkommender Mann. Er war für uns ein exzellenter guide und Fahrer; wir hatten stets "gute Pad"! Die ganze Zeit über fühlten wir uns mit ihm sicher, kompetent instruiert und wohl. Mit ihm hatte Albert für uns die richtige Wahl getroffen. Immer wieder würden wir bedenkenlos mit Richard reisen!

Kurz gesagt: Unsere Safari 2012 war ein voller Erfolg, hat bei Sibille und mir den „Afrika-Bazillus“ noch tiefer verankert! Unsere „Namibia-Neuen“, Heide und Klaus, sind tief beeindruckt. Sie verstehen jetzt viel besser die Bedeutung von Strophe drei des alten „Südwesterliedes“, wo es heißt: „Und kommst du selber in unser Land und hast seine Weiten gesehen, und hat unsere Sonne ins Herz dir gebrannt, dann kannst du nicht wieder gehen“! Last not least freuen Ingrid und Armin sich bestimmt schon auf unsere Erzählungen und Fotos.

Pünktlich brachte Richard uns auf der B 6 die letzten 40 km über hügelige Savanne zum außerhalb des Windhoek-Talkessels liegenden International Airport. Er trägt den Namen von "Hosea Kutako", einstiger Herero-Häuptling, der sich gemeinsam mit Sam Nujoma in der SWAPO für die Unabhängigkeit Namibias gegen Südafrika eingesetzt hatte. Sein Denkmal im Park des Tintenpalastes hält die geschichtliche Erinnerung an die Freiheitsbewegung und Gründung des "jungen" Staates auf einem der erdältesten Böden wach.


Um 15.10 Uhr hob South African Airlines Flug SAA 077 mit uns ab nach Johannesburg! Es war, wie es sich für Windhoek gehört, recht windig!

Bye, bye beautiful Namibia - travelling through is a real privilege! We know for sure we will see you again!



 





Walter Boemans

Juni 2012

Vom Canyon zum Köcherbaumwald

Nach dem Fish River Canyon war unser nächstes Etappenziel der Köcherbaumwald bzw. „Quiver Tree Forest“ bei Keetmanshoop.

Dazu ging es zunächst zurück auf der C 37 mit stopover im Canyon Road House. Kurios: Inmitten der Einsamkeit eine Art Oldtimer-Museum mit Restaurant, shop und angeschlossener lodge. Die in Deutschland wohl recht teueren Oldtimer wurden dem Museum von Einheimischen gespendet. Zum schmunzeln, der Gang zur Toilette!
 


Danach ging es auf der C 12 wieder an Holoog vorbei bis zum Abzweig D 545. Fotostopp am Dank des Löwen-Reviers gut gefüllten Naute-Damm, der der Wasserversorgung von Keetmanshoop dient. In dessen Umfeld baut man seit einiger Zeit erfolgreich Datteln und Weintrauben an, die u.a. nach Deutschland exportiert werden. Von dort auf die B 4 und noch 30 km bis Keetmanshoop. Wir waren jetzt ca. 200 km von der Canyon Lodge entfernt.


Keetmanshoop, am Swartmodder Revier gelegen, ist eine der ältesten deutschen Ansiedlungen. Schon 1860 wurde hier eine Missionsstation gegründet. Es war die „Hoffnung“ des reichen Geschäftsmannes und Präsidenten der Rheinischen Missionsgesellschaft Johann Keetman, wonach die Stadt auf Afrikaans heißt. Er, der selbst nie im Lande war, hoffte, durch großzügiges Sponsoring der Mission, die ansässigen, teils verfeindeten Nama-Stämme zu beeindrucken und zu christianisieren. Bis 1915 war Keetmanshoop das südliche Hauptquartier der Schutztruppe mit befestigtem Fort. Noch immer lassen eine Reihe Nationaldenkmäler im deutschen Kolonialstil Gründerzeit erkennen. Sehenswert sind z.B. die Granitkirche der Rheinischen Mission aus dem Jahre 1895 und das Kaiserliche Postamt von 1910, heute Touristenbüro.


Die belebte Stadt an der B 1, der Nord-Süd-Achse Namibias, ist wichtiges Wirtschaftszentrum und Verkehrsknotenpunkt für Straße, Luft und Schiene, angebunden an Südafrika. Sie wurde schon 1907 Mittelpunkt der Zucht von Karakulschafen, den einstigen „black diamonds of Namibia“. Das gelockte Fell der Lämmerwird zu Pelzmänteln und Teppichen verarbeitet. Als Distrikthauptstadt der Karas-Region tituliert man Keetmanshoop, 500 km von Windhoek entfernt, auch „Hauptstadt des Südens“.

Keetmanshoops highlight ist der Köcherbaumwald. Dabei ist „Wald“ nicht wörtlich zu nehmen: Im Grunde handelt es sich um eine größere Ansammlung verstreut zwischen Granitbrocken stehender Pflanzen, die bis zu 300 Jahre alt sein sollen. Auch ist der Kokerboom kein richtiger „Baum“, sondern eine mehrere Meter hoch werdende, Wasser speichernde Baum-Aloe. Der Name bezieht sich auf das relativ dicke, leicht auszuhöhlende Holz, woraus die Buschmänner Köcher für ihre Jagdpfeile schnitzten. Köcherbäume sind eigentümlich dekorativ: Vom geraden, schuppig-glatten Stamm aus verzweigen sich fingerartig fächernde Blätter. Wir besuchten die Exemplare der staatlichen Farm, weil dort noch spätnachmittags eine Gepardenfütterung stattfand. 


Speziell bei untergehender Sonne boten uns die Kontraste der zur Zeit blühenden Bäume gegen den Abendhimmel einmalig schöne Fotomotive.


Auf dem Rückweg zu sehen: „Giants`Playground“, der „Spielplatz der Riesen“. Kurz vor absoluter Dunkelheit konnten wir noch einen Blick auf das basaltische "Warzenfeld", einheimisch „Vratteveld“ genannt, werfen; eine Ansammlung aufgestapelter und verschachtelter Felsbrocken. Man sagt, sie erwecken den Eindruck, Riesen hätten mit Bauklötzen gespielt. Kurios, aber den Vergleich mit „Bull`s Party“ im Erongo hält Giants`Playground nicht stand.



Wir wohnten in Keetmanshoop im Gesserts Guesthouse, eine ruhig gelegene, freundlich-familiäre Frühstückspension mit Pool und schönem Garten. Klein, aber fein, berühmt fürs Frühstück! Weiterer Vorteil: Alle Sehenswürdigkeiten von dort aus schnell erreichbar. Hendrik Gesserts, offensichtlich Sammler von blauweißem holländischem Nippes, überließ uns und einem netten Paar aus Israel freundlich Fernseher und Sofa für das Spiel Deutschland gegen Dänemark der Fußball-Europameisterschaft.

Deftiges Abendessen und „Mann mit Hund“ gab es nach einiger Suche durch nahezu unbeleuchtete Gassen im legendären, 1907 vom Schutztruppler Hermann Schmitz gebauten "Schützenhaus", Keimzelle des ältesten deutschen Klubs im südlichen Afrika.




Von Lüderitz zum Fish River Canyon

Im Anschluss an Kolmanskop stand unsere lange Tagesetappe zum Fischfluss an, zur südlichsten Ecke Namibias, nahe der Grenze zu Südafrika. Afrika, das zieht sich!

Zunächst die B 4 zurück bis Aus. Dort fahndeten Richard und Klaus nach unserem verlorengegangenen Reservereifen, leider ohne Erfolg. Sibille, Heide und ich machten in der Zwischenzeit im lokalen Info-Centre Kaffeepause mit small talk. Dazu konnten wir uns anhand von Schautafeln in Sachen Wüstenpferde schlauer machen.

Von Aus dann 160 km weiter B 4 durch den Bethanien Distrikt, immer parallel zu den neuen Eisenbahngleisen, auf denen aber offensichtlich kein Zug fährt, bis Seeheim. Kurz davor Stopp an der Brücke über den hier die Straße kreuzenden Fish River, mit dem vergeblichen Versuch, unten am Ufer eine stattliche Pavianhorde zu fotografieren. Statt dessen eine schnell ins Gebüsch flüchtende Schlange. Anschließend die kurze kurvige Abfahrt nach Seeheim. Die Ortschaft, 1896 von der Schutztruppe gegründet, kannte einst gute Zeiten. Heute liegt sie einsam in einer kleinen Schlucht am Fisch-Fluss, bestehend nur aus dem altem Bahnhofsgebäude und dem Film bewährten Seeheim Hotel, das sichtbar erweitert wurde. Obwohl "wie am Ende der Welt" gelegen, hat Sibille eine eigene Affinität zu Seeheim entwickelt, würde niemals daran vorbeifahren wollen. So kehrten wir als einzige Gäste auf einen schnellen, schmackhaften Imbiss auf der schattigen Hotelterrasse ein, hatten dabei Spaß mit dem zutraulichen Hauspapagei, der uns lustige Kunststückchen am Treppengeländer vorführte.



Ab Seeheim beginnt die zum Fish River Canyon führende Pad C12. Auf dieser fuhren wir 80 km, immer den Zuggleisen nach Südafrika folgend, das Revier des Löwen-Flusses überquerend, bis Holoog. Die ehemalige Bahnstation nimmt man heute allenfalls noch am Namensschild auf den Gleisen wahr sowie wegen der zwei einsamen Schutztruppler-Gräber und des alten deutschen Kalkofens am Löwen-Ufer.


Von dort, in den Gondwana Canon Park hinein, die Klein Karasberge zur Linken, waren es noch 70 km C 12 und C 37 bis zum Fish River Canyon selbst.

Ohne Zweifel ist der Canyon eine der Hauptsehenswürdigkeiten und absolutes touristisches must Namibias. Mit über 160 km Länge, bis zu 27 km Breite und 550 m Tiefe gilt er nach dem Grand Canyon des Colorado in Arizona als zweitgrößter der Welt. Seine Besonderheit: Er entstand nicht allein durch Erosion, sondern zuvor durch Grabenbruch als sich sich der Urkontingent "Gondwana", der Afrika und Südamerika vereinte, auseinanderbrach. In seiner Tiefe mäandriert der zwischen Khomas-Hochland und Naukluft-Gebirge entspringende Fischfluss, mit 650 km der längste des Landes; er mündet weiter südlich im Oranje. Der Nama-Sage nach soll einst eine Riesenschlange auf ihrer Flucht vor Jägern die Kluft und Windungen des Canyon als Kriechspur hinterlassen haben. Das gesamte Gebiet um den Canyon steht mit Fish River Canyon Park und Gondwana Canyon Park unter Naturschutz nach dem Motto: „Gib der Natur zurück, was ihr gehört“. Wegen der durch spärlichen Regenfall verursachten Dürre und knappen Weide setzt man vorrangig auf Tourismus statt auf Viehwirtschaft, vermeidet so möglichst eine Konkurrenz zwischen Nutztieren und Wild um Wasser. Davon sollten wir noch später auf der Ökofarm in den Tirasbergen mehr erfahren.

Für Extremsportler: Je nach Kondition können bis zu 85 km des Canyon vom nördliche Aussichtspunkt beim Rastlager Hobas bis zum südlichen Kur- und Ferienort Ai-Ais mehrtägig auf dem „Fish River Hiking Trail“ durchwandert werden. Vorausgesetzt, man ist angemeldet, wandert nicht allein und weist ein Gesundheitsattest vor. Möglich auch, sich durch Muli-Trekking die Abenteuerroute etwas zu erleichtern. In jedem Fall bleibt der trip strapaziös und gefährlich. Zwar ist der durch Hardap- und Naute-Damm gestaute Fischfluss zahmer geworden; gleichwohl ist er quasi Entwässerungsgraben für das gesamte südliche Namibia. In der Regenzeit können nach Wolkenbrüchen meterhohe Flutwellen durch die Steilwände schießen. Ist man dann unten, besteht Lebensgefahr. In der Vergangenheit gab es etliche Unfälle und Todesfälle. Noch im letzten Jahr musste eine Wandergruppe in dramatischer Rettungsaktion per Boot über den reißenden Fluss zum Notausstieg gebracht werden. Der Canyon blieb wegen außergewöhnlicher Regenfälle längere Zeit gesperrt. Ohnehin ist geführtes Wandern nur im namibischen Winter erlaubt: „Day hikes or leisure walks down into canyon strictly prohibited!“ Trost für Normal-Touristen wie wir es sind: Gerade eine relaxte walking tour am Canyon-Rand beschert ein unvergessliches Panorama und einmalige Fotomotive!

Als Wunsch-Unterkunft hatte Albert für uns die Canyon Lodge reserviert. Sibille und ich hatten dort vor Jahren begeistert gewohnt. Schon die Anfahrt ist Naturerfahrung per se. Die lodge liegt harmonisch einbezogen in die wunderschöne, mit Felsen und Findlingen übersäte Landschaft. Sie wird ökologisch geführt nach dem Motto: „Der Natur zurückgeben, was ihr gehört“. Ihre strohgedeckten Chalets aus Naturfels selbst im Bade stehen so an den Berg geschmiegt, dass man sie von der Pad D 324 kaum ausmacht. Das renovierte Farmhaus aus dem Jahre 1910 der ehemaligen Farm Karios mit gepflegtem Garten ist Mittelpunkt und Restaurant. Von der Terrasse hat man einen schönen Blick in die Felslandschaft im Vorfeld des Canyons. Allein der Fußweg zum Wohnhäuschen mit herum kletternden, neugierigen Klippschliefern ist ein Erlebnis besonderer Art. Für uns hatte man bewußt die ganz hinten im Tal liegenden Häuser Nr. 10 und 11 reserviert, um uns einen noch eindrucksvolleren Ausblick zu geben. Heide und Klaus wohnten etwas erhöht über uns, hatten Biervorrat organisiert. Unseren sundowner genossen wir nach Südwester Art auf ihrer Terrasse: „Gesondheid, lat hy val, waar hy wil“!




Am nächsten Morgen holperten wir über die 20 km Pad zum Canyon. Zunächst war permit-stop in Hobas Pflicht; dann weiter über die geradelaufende, harte Waschbrett-Piste im Ai-Ais Richtersveld Nationalpark. Bis zum Aussichtspunkt lässt der Canyon sich überhaupt nicht erahnen; man fragt sich, wo er sich versteckt! Kommt man dann zum „Main View Point und betritt die 2010 ausgebaute Terrasse, ist man sprachlos: Vor einem entfaltet sich der gewaltige Canyon in voller Wucht und Dimension! Den grandiosesten Blick in die „Höllenkurve“ der Schlucht, auf den wasserführenden, mäandrierenden Fish River und die verschiedenen uralten Gesteinsschichten der Hänge hat man sicherlich von hier aus sowie von der etwas entfernter gelegenen Felsnase „Hikers`Point“. Von dort steigen die Taldurchwanderer hinab. Gerade wurde eine Gruppe Mutiger mit Gesang verabschiedet. Wir hatten Zeit, Lust und Kondition genug, um zumindest den an der Abbruchkante entlangführenden Trampelpfad zwischen beiden points selbst zu begehen. Achtung: Immer Sicherheitsabstand zur Schlucht halten und beim Fotografieren stehen bleiben! Am Hikers`Point holte uns Richard mit dem Auto ab. Zurück bis Hobas nahmen wir den freundlichen Südafrikaner Robert mit, der sich beim Abstieg ins Flusstal am Vortag sein Knie verletzt hatte und nicht mit seiner Gruppe weitergehen konnte.


Über Aus nach Lüderitz

Abschied von den Theiles. Von Namtib gelangten wir am nächsten Morgen nach 150 km „Traum-Pad“ D 707 und C 13 mit Gebirgs-, Dünen- und Weideland nach Aus.


Das Städtchen liegt 1450 m hoch am „Rooirand-Tafelgebirge“. Im Winter kann es hier recht frisch werden. Im Umfeld, Weide- und Farmland. Während der Kolonialzeit hatte die deutsche Schutztruppe in Aus einen bedeutenden Stützpunkt. Ein paar koloniale Erinnerungen: Das Bahnhofshotel, einige restaurierte Hausfassaden und Reste eines Gefangenenlagers. Nach Kapitulation im 1. Weltkrieg hielten hier die Südafrikaner deutsche Soldaten der Schutztruppe sowie Landespolizisten in Zelten und Hütten interniert. Spärliche Überreste des Lagerlebens, nebst kleinem Denkmal, sind noch vorhanden. Wir fanden das „Prison of War“ nach Suche am Abzweig zur Zinkmine Rosh Pinah, die noch Ex-Präsident Sam Nujoma eröffnete. Too bad: Bei der holperigen Suchaktion, vielleicht aber auch schon auf der Schotterpiste D 707, hatten wir das neue Reserverad vom Hänger verloren, was wir jedoch erst später merkten!


Von Aus noch 120 km B 4-Teerstraße bis Lüderitz. Unser langer Südkurs wurde scharf rechts zum Westkurs. Die B 4, quasi Sackgasse Richtung Ozean, dient der Hin- und Rückfahrt. Die unendlich wirkende Gegend links der Straße gehört südlich bis zum Oranje-Fluss zur „Forbidden Area“ des Diamanten-Sperrgebiets, streng bewacht von der Diamond Police. „The public is warned against entering the prohibited diamond Area on both sides of the road to Lüderitz!“ Rechts der Straße, die Wüstenausläufer des Namib Naukluft Parks. Die ganze Strecke, stetig abwärts bis auf Meeresniveau fallend.


Nach 30 km, Zwischenstopp in Garub. Inmitten der Wüstenlandschaft ein historisches Kuriosum: Pferde! Zur Kolonialzeit fand sich dort Wasser, was es in Lüderitz nicht gab, und zwar am Bohrloch, an dem einst die Dampfloks der Schmalspurbahn versorgt wurden. Der Ort wurde so Außenposten der Schutztruppe, versorgte Lüderitz mit kostbarem Nass; erst per Ochsenkarren, später mit Hilfe der Eisenbahn selbst. Der Nama-Name Garub bedeutet „Wüstenpferde“ und diese mysteriösen „Namib feral horses“ sind die Lokalattraktion. In der Wüste rund um Garub soll es um die 250 von ihnen geben. Niemand kennt ihr Geheimnis, weiß genau, wie viele es wirklich sind, woher sie stammen! Fest steht, die survival-Künstler verblieben dort über 100 Jahre unter bescheidensten Bedingungen: Kaum Wasser und Fressen bei großer Hitze, jedoch unbehelligt, da im unzugänglichen Diamanten-Sperrgebiet zu Hause! Eigentlich sehen sie ganz normal aus; gleichwohl dürften sie als Reit- oder Arbeitspferde schon lange allzu degeneriert sein. Die wahrscheinlichste Theorie: Auf Duwisib gezüchtet, hatte Baron von Wolf sie an die bei Aus stationierte Schutztruppe verkauft. Nach dem verlorenen Krieg vermischten sich die zurückgelassenen Reitpferde mit denen der südafrikanischen Armee. So gesehen sind sie keine echten Wildpferde, sondern verwilderte Nachkommen domestizierter Pferde, ähnlich wie die Mustangs in den USA. Um sie zu erhalten, versorgt man sie heute an neuerschlossenen Bohrlöchern mit Wasser und Futter. Touristen sehen sie wie die anderen wilden Tiere als Teil der Namib an. Vom view point aus, 2 km abseits der Hauptstraße, kann man sie gut beobachten. Schon witzig: Die Tiere haben durch Anknabbern des maroden Holzgestells 2011 selbst dafür gesorgt, dass der Unterstand renoviert wurde. Jetzt ist er bissfest solide, hat sogar eine Touristen-Toilette. Kaum zu glauben: Von den Wüstenpferden hielten sich bei unserer Ankunft ca.150 am view point auf, reichlich neugierig und recht zutraulich. Es bedurfte einiger handfester Überzeugung, wieder ins Auto zu gelangen!


Auf dem letzten Streckenabschnitt bis zum Atlantik, vorbei an der ehemaligen Diamanten-boomtown Kolmanskuppe und dem kaum erkennbaren, winzigen Wüstenairport, kann es besonders in den Morgen- und Abendstunden zu gefährlichen Sandverwehungen kommen. Dann kam Lüderitz, das ehemalige Lüderitzbucht, in Sicht. Über 800 km von Windhoek entfernt, ist die Stadt „Keimzelle“ des einstigen Deutsch-Südwest.

Grund genug für einen kurzen Rückblick in die Geschichte:

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war das Gebiet des heutigen Namibias terra incognita: Nahezu menschenleer, extrem wasserlos und regenarm, von weißen Abenteurern und Landeroberern verschont. Selbst die beiden wasserführenden Grenzflüsse Kunene im Norden und Oranje im Süden sind nicht schiffbar. Die durch den kalten Benguelastrom und starke Winde gefährliche See, der Mangel an Naturhäfen und die undurchdringliche Wüste machten Expeditionen naturgemäß unattraktiv. Vom Meer aus gesehen hatte das Land scheinbar absolut nichts zu bieten. Sparsame Vegetation und gute Weideflächen beginnen erst bis zu 200 Kilometer landeinwärts. Zudem kannte das Binnenland bis auf wenige, nomadenhaft als Sammler und Jäger umherziehende Buschmänner, die San, keine bodenständigen Ureinwohner im eigentlichen Sinne sondern nur Einwanderer. Es wurde zerrüttet von jahrzehntelangen, blutigen Stammeskriegen um die Vorherrschaft der Weiden zwischen den im Norden eingewanderten Hereros mit ihren Rinderherden und den aus dem Süden kommenden Namas als Schaf- und Ziegenhirten. Die Machtkämpfe führten unter anderem dazu, dass die San nahezu ausgerottet und versklavt wurden; noch heute sind sie "Stiefkinder der Nation". Trotz aller Kolonisierungsgelüste wollte in dieser Region bis auf Stippvisiten niemand aus Europa Fuß fassen. Einzig Walvis Bay nutzten ein paar Engländer und andere als Stützpunkt beim Wal- und Robbenfang.1842 kamen erste deutsche Missionare ins Land. Neben ihrer zum Christentum bekehrenden Missionsarbeit betrieben sie regen Handel, u.a. mit Waffen und Munition für die einheimischen Konfliktparteien. Wie die Geschichte lehrt, drängten nicht zuletzt sie im puren Eigeninteresse das anfangs an Kolonien uninteressierte deutsche Kaiserreich, zu ihrem Schutze in Afrika Kolonialpolitik zu betreiben. Ihre Initiativen gingen auf abenteuerliche Händler über, die selbst in dem bis dato völlig vernachlässigten Areal Geschäftschancen witterten.

Vor diesem Hintergrund entstand Lüderitz; bekam den Namen seines Gründers, dem Bremer Kaffeeimporteur und Großhändler Franz Adolf Eduard Lüderitz. Mit Pioniergeist und finanzieller Hilfe seiner reichen Frau erwarb dieser 1883 über seinen Bevollmächtigten Heinrich Vogelsang vom Kapitein Joseph Fredericks aus Bethanien ein Stück Wüste, das für die Nama wertlos war. Am Strand errichtete er quasi in Fertigbauweise eine kleine Handelsstation. Bei den Verhandlungen wurde Vogelsang tatkräftig vom Missionar Bam aus der seit 1811 in Bethanien ansässigen Rheinischen Missionsgesellschaft unterstützt. Bis 1885 konnte Lüderitz sein "Lüderitzland" durch weitere Landerwerbsverträge mit Eingeborenenhäuptlingen weiter in den Norden und tiefer ins Hinterland ausdehnen. Vorrangiges Ziel war nicht Kolonisierung durch Siedeln und Farmen, sondern Handel auf neuen Märkten und Erschließen von Rohstoff- bzw. Mineralvorkommen. Der Nachteil des Standorts: Es gab nur Sand und Steine, nirgends Wasser und Grün. Der Vorteil: Da waren ein geschützter Naturseehafen und, wie sich jedoch erst später herausstellte, doch eine Menge Bodenschätze, wie Kupfer, Uran, Mangan, Gold, Silber, Blei und natürlich die Diamanten. Hauptsächlich ökonomische Gründe also, die das Deutsche Reich nach anfänglichem Zögern bewogen, die Besitzungen des Lüderitz 1884 zum Schutzgebiet zu erklären, Schutzverträge mit lokalen Häuptlingen abzuschließen und eine kleine Schutztruppe zu entsenden. Ein nicht zu unterschätzendes politisches Motiv war sicherlich auch, England, das postwendend das Betschuanaland im heutigen Botswana annektierte und seine Interessensphäre taktierend auf ganz Südwest ausweiten wollte, von weiteren Land- und Einflussnahmen abzuhalten. Mit der so erlangten "Rückendeckung" durch Schutz des Reiches gelang Kaufleuten beim Reichskanzler Bismarck das, was Missionare jahrelang vergeblich versucht hatten. Gleichwohl blieb die Schutztruppe noch lange Privattruppe der Deutschen Kolonialgesellschaft, wurde erst 1894, seinerzeit rund 500 Mann stark, in eine Kaiserliche Schutztruppe umgewandelt und dem Reichskanzler direkt unterstellt. Lüderitz selbst hatte kein Glück, wurde Opfer seines Wagemutes: Sein Vermögen war in der erfolglosen Anlaufphase verbraucht; 1885 verkaufte er seinen gesamten Landbesitz an die Deutsche Kolonialgesellschaft; 1886 ertrank er auf einer Faltboot-Expeditionstour in der Mündung des Oranjeflusses. Lüderitzbucht verfiel in einen mehrjährigen Dornröschenschlaf; wurde erst wieder wach ab1904 durch die deutschen Truppenanlandungen im Herero- und Namakrieg, den Bau der Schmalspur-Eisenbahnlinie nach Aus und Keetmanshoop sowie die Diamantenfunde.

Aus der Distanz macht das Städtchen Lüderitz, plaziert auf  kargen Granitfelsen, immer noch einen eher kleinstädtisch-verschlafenen Eindruck. Näher kommend spürt man: In der Tat, eigentlich fast alles beim Alten geblieben! Der relativ kurze, aber um so intensive Diamanten-Boom bescherte eine Jugendstil-Architektur, die bis heute ihren wilhelminischen Charme bewahrte. Wahrzeichen sind z. B. die den Ort überragende Felsenkirche und das Goerke-Haus mit Sonnenuhr am Diamantberg, ferner Woermann-Haus am Hafen, Afrikabank, Bahnhof, Post, Gefängnis, kaiserliche Turnhalle und Historisches Museum.

Auf der auslaufenden B 4, hier Bismarck Street, fuhren wir geradewegs ins Zentrum, bogen beim trockenen Springbrunnen links ab in die Diaz Street, eine Sackgasse, wo am Ende der Bucht das Nest Hotel liegt, unsere Bleibe in Zimmer 316 für zwei Nächte. Touristisch-modern, direkt am Atlantik, Zimmer mit Balkon und Blick aufs Meer mit Meeresrauschen und, mit etwas Glück, auf Pinguine und Robben. Küche und Service, bei nur wenigen Gästen, einwandfrei!



Beim Bummel durch den Ort wird offensichtlich: Lüderitz hat ups and downs erlebt! Wirtschaftlich gab es Glanz und Visionen, ebenso wie Krisen und Arbeitslosigkeit.

Am südlichen Küstenabschnitt, hin zum Nest Hotel, seit Jahren verlassene, halb zerfallene Lagerhäuser und ehemalige Schiffsanleger. Man wundert sich, dass in dieser, an sich prädestinierten Lage, bisher nichts reinvestiert wurde. Nördlich sieht es besser aus: Hoffnungsträger heute, neben Tourismus und Fischerei, der im Zuge des Zinkabbaus bei Rosh Pinah für internationale Schifffahrt ausgebaute Robert-Hafen mit waterfront am Harbour Square. Dort, auf einer höher gelegenen Cafeterrasse mit Hafenblick, nahmen wir bei Sonnenschein und Brise unsere snacks und drinks. Obwohl werktags, konnten wir keinen regen Hafenbetrieb oder größere Schiffe ausmachen. Ein Problem ist sicherlich auch die im Vergleich zu Walvis Bay geringe Tiefe des Hafenbeckens und des Zufahrtskanals; der felsige Untergrund kann nur bis auf etwa 10 Meter ausgebaggert werden. Offensichtlich scheint das Hafen- und Minengeschäft aber wieder besser zu laufen und den Lüderitzern mehr Beschäftigung zu bringen, wohl immer noch durch Fischereiwirtschaft. Das Diamantengeschäft liegt hälftig bei der namibischen Regierung und der De Beers Group. Letztere hat seit Firmengründung 1888 das Diamantenmonopol auf dem Weltmarkt im Griff, und zwar bei mining, Logistik an privilegierte Abnehmer und Preissetzung. Am Auto zurück, erwartete uns ein geschäftstüchtiger Bursche, der für wenig Geld fingerfertig mit unseren Vornamen und Tiermotiven beschnitzte Makalani-Nüsse als Glücksbringer verkaufen wollte. Heide und Klaus hatten noch keine, taten ihm den Gefallen.

Touristisches in Ausflugsdistanz: Etwas südlich der Lagune, die Lüderitz-Halbinsel mit Leuchtturm und Diaz-Kreuz am Diaz-Point. Der portugiesische Seefahrer Bartholomeu Diaz hatte schon 1488 auf Indiensuche an der von ihm „Angra Pequena“, "kleine bzw. enge Bucht", getauften Stelle das obligatorische Steinkreuz errichtet. Ein erstes Kreuz pflanzte zuvor sein Kollege Diego Cao bei den Robbenkolonien am Cape Cross. Man erklimmt das Felsplateau am Diaz-Kreuz über einen langezogenen Holzsteg und steile Stufen; bei starkem Seewind kann dies abenteuerlich sein. Sehenswert zudem, die Haifisch-Halbinsel mit Denkmal, Halifax-Island mit Pinguinen, der Achatstrand, die Sturmvogelbucht mit Ruinen einer Walfangstation und die Knochenbucht. Letztere machte uns gegenüber ihrem Namen alle Ehre; fanden wir doch Gerippe, Gebiss und Fellreste einer Hyäne. Wir nahmen so viel wie möglich von Lüderitz in uns auf, besuchten Kirche, das von Eberlanz gegründete Museum und das hervorragend renovierte Goerke-Haus, in dem die jeweiligen Chefingenieure der Diamantenmine wohnten. Wir hatten Zeit, durch den Ort zu bummeln, mit Einheimischen zu plaudern, Schwarzwälder Kirsch zu essen und einen herlichen Sonnenuntergang auf Shark Island zu erleben. Dank Richard ein gelungenes timing!


Touristenmagnet ist nach wie vor die „Geisterstadt“ Kolmanskuppe, benannt nach dem Frachtfahrer Johnny Coleman aus Aus, der dort an einem Hügel 1904 im Sandsturm mit seinem Ochsengespann verunglückte.

Die story ist wie ein Märchen, dementsprechend nicht immer ganz schlüssig: Nur 10 km vor Lüderitz fand 1908 der Gleisarbeiter Zacharias Lewala am Boden liegende Steine, die er für Diamanten hielt. Der "Cape Boy" besaß Vorkenntnisse, hatte zuvor im "Big Hole" der De Beers-Mine in Kimberley gearbeitet. Sein Chef, August Stauch, Bahnmeister der Bahnstation "Grasplatz" und Hobbymineraloge, erahnte deren Wert. Der Name "Grasplatz" ist übrigens irreführend: Es gibt dort weit und breit keinen Grashalm. Das noch heute an der B 4 vorhandene, einsame Bahnhäuschen war ursprünglich "Grasabladeplatz" für Ochsengespanne. Welcher Experte dann die ersten Diamanten offiziell bestätigte, bleibt den Quellen nach unklar: Manche sagen, es war Dr. Peyer, Leiter des Eisenbahn-Hospitals in Aus; andere sagen, die wirklich großen Diamantenfunde hätte Stauch mit Hilfe eines Hererojungen namens Jakob gemeinsam mit dem zufällig in Lüderitz anwesenden Berliner Bergrat Professor Dr. Scheibe gemacht. Wie dem auch sei: Der selber mittellose Stauch soll eine Finanzspritze vom Malermeister Eberlanz bekommen haben, bei dem er zur Untermiete wohnte, kaufte günstig Schürfrechte und einen recht großen claim, gründete die Kolmanskuppe-Diamanten-GmbH. Diamantenfieber setzte ein; weitere Bergbaugesellschaften entstanden, obwohl der für Diamantenvorkommen typische Blaugrund fehlte. Stauch avancierte zum „Wüsten- und Diamantenkönig“, wurde Millionär. Deutsch-Südwest wurde reichste deutsche Kolonie, erweckte Neid und Begehren bei europäischen Nachbarn wie England, vor allem aber auch im Deutschen Reich selbst. Bald schon ging das zuvor private Diamantengeschäft in die Hände des Deutschen Reiches über. Kolmanskop prosperierte: Gute Handwerker bauten attraktive Häuser im Jugendstil, nachhaltig aus besten Materialien. Man lebte Luxus in der Wüste; Champagner war billiger als Trinkwasser! Ein Rundgang zeigt: Es gab Krankenhaus, Schule, Schwimmbad, Theater, das auch als Turnhalle diente und den „Kegelclub Gut Holz“. Als das Diamantengeschäft sich 20 Jahre später 250 km südlicher nach Oranjemund verlagerte, waren Vereinsamung und Verfall vorprogrammiert. Schon 1930 zogen die meisten Bewohner weg; 1956, vom letzten Wachdienst verlassen, fiel Kolmanskop im wahrsten Sinne der „Verwüstung“ anheim. Aus boomtown wurde ghosttown! Wie Gründungsvater Lüderitz hatte auch Stauch Pech; er verlor in der Weltwirtschaftskrise 1931 sein Vermögen, starb verarmt 1947 in Deutschland. Die Diamantenförderung erfolgt heute durch die Namdeb Diamond Corporation nach dem Slogan "On Diamonds we build" mit aufwendiger Technik hauptsächlich offshore. Gleichwohl blieb die versandete Bausubstanz von Kolmanskuppe im trockenen Wüstenklima so konserviert, dass man glaubt, nach gründlichem Graben, Fegen und Anstrich wieder einziehen zu können. Ein Haus wurde inzwischen von der Minengesellschaft grundrenoviert, hat dadurch aber viel seines geheimnisvollen Charakters verloren. Für uns war es jedenfalls einerseits ein außergewöhnliches Erlebnis, im heutigen Museumsort herumzustöbern und mit Phantasie Geisteratmosphäre und vergangene Abenteuerlust zu spüren. Andererseits symbolisiert Kolmanskuppe ja auch realistisch, was in Namibia mit von Menschenhand Geschaffenes geschieht, wenn es nicht mehr gebraucht und gepflegt wird.